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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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wenn ich meine Haare durcheinander bringe und Dubois mich schimpft, seid ihr dafür verantwortlich.«
    »Du bist auf meiner Seite, Mama«, rief Andrew.
    Olivia schaute ihnen eine Weile zu und spürte eine merkwürdige Leere in sich, als das Spiel ohne sie fortgesetzt wurde.

     
    Am Freitagnachmittag durchquerte Olivia gerade die Eingangshalle, als ein junger Mann durch die Vordertür hereinschneite und sich von seinem Mantel befreite.
    »Nehmen Sie mir das ab, bitte?«
    Olivia schaute sich um, und da weit und breit nichts von Osborn oder Mr Hodges zu sehen war, nahm sie vorsichtig den schweren Mantel in Empfang. Darunter trug er eine Jacke aus blauem Samt über einer bunt gemusterten Weste, lange Hosen und hohe Stiefel. Der junge Dandy hatte rotgoldenes Haar, man nannte es Tizian-Haar, soweit sie wusste, und grüne Augen. Diese Augen leuchteten auf, als er Olivia näher betrachtete. »Und wer sind Sie?« Er lächelte. »Ich bin ziemlich sicher, dass ich Sie noch nie gesehen habe.«
    Olivia drehte den Kopf hin und her, aber es war niemand in der Nähe, der ihr hätte helfen können.
    »Was ist los, meine Liebe – sind Sie sprachlos? Ich wusste nicht, dass ich so einschüchternd sein kann. Ich muss sagen, das gefällt mir recht gut.«
    Er schien etwas jünger als sie zu sein, vielleicht erst neunzehn oder zwanzig, aber er legte ein Selbstvertrauen an den Tag – oder war es Prahlerei? –, das weit über sein Alter hinausging.
    »Nicht, dass es meine Absicht gewesen wäre, Sie einzuschüchtern.« Er beugte sich dichter zu ihr. »Ich mache es mir zur Aufgabe, alle Hausmädchen zu kennen, und ich würde sehr gern wissen, wer Sie sind. Ihr Name, meine Süße?«
    Olivia musterte ihn mit hochgezogenen Brauen.
    »Sie haben ganz recht. Wie unhöflich von mir! Ich bin Felix Bradley, der Bruder von Judith Howe und Lord Brightwells Neffe. Und Sie sind …?«
    Olivia konnte kaum glauben, dass dieser lebhafte, farbenprächtig gekleidete junge Mann der Cousin von Lord Bradley war. Aber das hieß … Sie verfolgte den Gedanken nicht weiter. Aus ihrer Tasche zog sie die kleine Karte, auf der sie ihren Namen für genau solch einen Fall geschrieben hatte.
    »Ich bekomme eine Liebesbotschaft? Wie entzückend.« Er warf einen flüchtigen Blick auf die Karte. »Lydia?«
    Amüsiert schüttelte sie den Kopf. Sie fand sein freundliches Lächeln und seine elfengrünen Augen bezaubernd.
    Er blickte wieder zu ihr. »Lilly?«
    Sie wackelte mit der Hand, um ihm zu signalisieren, dass das gut genug war. Er richtete sich auf und lächelte wieder. Olivia bemerkte, dass er groß und dünn war – nicht so hochgewachsen wie Lord Bradley, doch aufgrund seiner schmalen Figur wirkte er groß. Er hatte ein fein geschnittenes Gesicht mit aristokratischen Zügen.
    »Mr Bradley. Ich habe Sie nicht kommen hören.« Mrs Hinkley eilte durch den Saal, legte diskret eine Hand an Olivias Rücken und schob sie Richtung Treppe. »Lord Brightwell ist verreist, wie Sie wissen. Soll ich veranlassen, dass Hodges Lord Bradley Ihre Ankunft meldet?«
    »Das ist nicht nötig, Mrs H. Ich springe einfach schnell nach oben und besuche meine Schwester.«
    »In Ordnung, Sir. Das chinesische Zimmer ist wie immer für Sie vorbereitet.«
    Olivia bewegte sich wie von ihr erwartet auf die Treppe zu. Sie spürte, dass Mrs Hinkleys Verhalten nicht als Tadel zu verstehen war, sondern ihrem Schutz dienen sollte. Über dem gedämpften Geräusch ihrer Slipper auf dem Marmorboden hinweg konnte sie immer noch hören, wie die beiden sich unterhielten.
    »Wer ist das neue Mädchen? Höchst ungewöhnlich.«
    »Oh«, antwortete Mrs Hinkley gleichmütig, »das ist Livie. Sie ist neu hergekommen seit Ihrem letzten Besuch hier.«
    »Livie. Aha.«
    »Sie haben wahrscheinlich bemerkt, dass Sie stumm ist.«
    »Stumm? Wirklich?« Er sprach völlig unbefangen, als wäre Olivia bereits abwesend – oder taub.
    Sie spürte, dass seine Augen ihr folgten, als sie auf der Treppe nach oben stieg.
    »Jetzt, wo ich darüber nachdenke – sie hat kein Wort gesagt. Doch ich hätte schwören können, dass sie eine wunderschöne Stimme besitzt.«

11
     
Sollte es jemand passieren, dass er den Schuh beim Weitergeben fallen lässt, muss er ein Pfand zahlen.
Mrs Child, The Girl’s Own Book
     
    Später an diesem Nachmittag saß Olivia neben Audrey, die laut aus Peter der Große vorlas. Olivia las still mit und deutete manchmal mit der Fingerspitze auf ein Wort, das das Mädchen ausgelassen oder falsch

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