Das Schweigen der Schwaene
ganze Woche schneien wird.« Er blickte hinaus in den Sturm weißer Flocken, der gegen das Fenster schlug. »In ein paar Tagen gibt es bestimmt sogar bei Joel und Tania in Minneapolis den ersten Schnee.«
14. Kapitel
»Brauchen Sie irgendwas aus dem Supermarkt? « Phil stand schnüffelnd in der Küchentür. »Das riecht aber gut. Was kochen Sie denn da? «
»Gulasch.« Tania blickt lächelnd über die Schulter zurück. »Ich habe Ihnen eine Portion für das Abendessen reserviert.«
»Großartig.« Er trat näher an den Herd heran. »Aber hätten Sie vielleicht jetzt schon einen kleinen Happen für mich? «
Trotz seines Alters war er ein Junge geblieben, dachte Tania nachsichtig, als sie den Schöpflöffel in den Topf tauchte und an ihn weiterreichte. Er probierte das Gulasch, schloss die Augen und stieß einen genießerischen Seufzer aus. »Köstlich.«
»Ein altes Familienrezept. Meine Großmutter hat es mir gezeigt.« Sie drehte die Hitzezufuhr der Platte herab. »Es ist noch besser, wenn es erst ein paar Stunden gezogen hat.«
»Unmöglich.« Phil sah aus dem Fenster. »Es schneit ganz schön. In ein paar Stunden sind die Straßen bestimmt dicht. Ich dachte, Sie brauchten vielleicht Milch oder Brot oder so.«
»Milch. Ich habe den letzten Rest beim Frühstück verbraucht.«
Sie sah ebenfalls auf die Straße hinaus. »Aber deshalb brauchen Sie nicht extra loszufahren. Draußen ist es bestimmt spiegelglatt.«
»Ich muss sowieso los. Ich muss das Auto in die Werkstatt bringen. Irgendetwas stimmt nicht daran.«
»Was? «
»Keine Ahnung. Vorgestern war noch alles in Ordnung, aber gestern abend fing der Motor plötzlich zu stottern an.«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war das Benzin, das ich getankt habe, nicht ganz sauber.« Er wandte sich zum Gehen.
»In ein paar Stunden bin ich wieder da. Kommen Sie mit zur Tür, und stellen Sie die Alarmanlage an, wenn ich draußen bin.
Was nützt einem ein Alarmsystem, wenn man es nicht anstellt?
Eben bin ich einfach so hier hereinspaziert.«
»Ich stelle es immer an. Joel muss es vergessen haben, als er heute morgen zur Arbeit gefahren ist.« Sie folgte ihm in den Flur und drückte den Knopf der Alarmanlage, nachdem er vor die Tür getreten war. Inzwischen schneite es so stark, dass man kaum noch die Hand vor Augen sah. »Widerlich. Müssen Sie wirklich los? «
»Ohne mein Auto bin ich nur ein halber Mensch.« Er grinste.
»Außerdem bin ich es gewohnt, bei solchem Wetter zu fahren.«
Er winkte, während er vorsichtig die vereisten Stufen hinunterging. »Und ich denke an die Milch.«
Als er hinter dem dichten Schneeschleier verschwunden war, schloss sie die Tür und machte kehrt, um in die Küche zurückzugehen. Nach ein paar Metern blieb sie stirnrunzelnd stehen. Auf dem Eichenparkett war eine deutliche Wasserlache zu sehen. Normalerweise putzte Phil seine Schuhe immer ab, aber offenbar hatte ihn die entsicherte Alarmanlage tatsächlich aus dem Konzept gebracht. Sie musste sofort ein Handtuch holen und das Wasser aufwischen, ehe es auf dem hübschen Holzboden einen Fleck hinterließ.
Sie spürte nicht, dass er in der Nähe war, dachte Maritz enttäuscht.
Er beobachtete, wie sie sich bückte und das Wasser aufwischte, das von seinen Schuhen getropft war, als er hinter dem jungen Mann ins Haus geschlichen war. Er hätte es selbst aufgewischt, aber er hatte nicht gewusst, wieviel Zeit ihm bliebe, ehe der Kerl erneut das Haus verließ. Also hatte er einfach die nassen Schuhe ausgezogen, war die Treppe hinaufgerannt und hatte sich hinter dem Geländer versteckt.
Ich bin ganz in deiner Nähe, hübsche Tania. Du brauchst nur den Kopf zu heben, um mich zu sehen.
Aber sie hielt den Kopf gesenkt, wischte den Boden zu Ende und kehrte in die Küche zurück.
Was an und für sich kein Grund zur Enttäuschung war, denn diese Blindheit hatte er bereits des öfteren erlebt. Die Wachsamkeit der Menschen ließ nach, wenn sie sich an einem Ort befanden, der ihrer Meinung nach sicher war.
Aber er hätte gedacht, dass es bei ihr anders war.
Vielleicht war es allerdings besser so. Die Überraschung wäre größer und die Furcht intensiver, wenn er mit einem Mal vor ihr stand.
Wo sollte er sie nehmen?
Er hörte ihr Summen, das aus der Küche drang. Sie schien glücklich zu sein.
Die Küche, Grundstein des Familienlebens, Mittelpunkt des Heims.
Warum nicht?
Langsam ging er die Treppe hinab.
Phil drehte das Lenkrad in die Richtung, in die der Wagen glitt und
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