Das Schweigen der Schwaene
nicht zugetraut.« Sie trug die Croissants zum Mikrowellenherd und schob sie hinein. »Aber ich habe nicht die Absicht, mich versteckt zu halten. Wie du bereits selbst gesagt hast, gibt es hier niemanden, der mich erkennen kann.«
Sie spürte Nicholas' Blick. »Dürfte ich vielleicht fragen, was du zu tun gedenkst? «
»Ich will zurück nach Paris.«
»Und was willst du dort tun? «
»Arbeiten.«
»Wo? «
»Ich weiß noch nicht genau. Das musst du mir schon sagen.« Sie drehte sich zu ihm um. »Für welche Modelagentur arbeitet die Geliebte von Gardeaux? «
»Chez Molambre.« Nicholas sah sie an. »Was hast du vor? «
»Ich muss unbedingt auf das Renaissancefest. Ich bezweifle, dass Gardeaux mir eine Einladung schicken wird, und eine zu stehlen oder zu fälschen wäre zu riskant. In dem Newsweek-Artikel stand, dass auf dem Fest alljährlich eine Modenschau geboten wird. Jacques Demoit entwirft eine spezielle Kollektion, und es ist so gut wie sicher, dass Gardeaux ihn bitten wird, die Models aus der Agentur seiner Geliebten zu nehmen.«
» Stimmt.«
»Und du hast die Absicht, dich bei dieser Agentur zu bewerben.« Jamie lächelte. »Sie sind wirklich ein cleveres Mädchen. Wir hätten sie schon früher brauchen können, Nick.«
»Du hast keine Erfahrung«, sagte dieser an Nell gewandt.
»Ich habe schon ein Dutzend Modenschauen besucht. Ich werde einfach so tun, als wäre ich vom Fach.« Sie drehte sich zu Jamie um. »Falls Sie mir die Empfehlungsschreiben fälschen und Photos für meine Mappe machen können.«
»Ich kenne einen vertrauenswürdigen Photographen in Nizza.
Aber ich brauche drei Tage Zeit.«
»Die Sache gefällt mir nicht«, warf Nicholas ein.
»Das habe ich auch nicht erwartet.« Sie sah ihn an. »Aber werden die mich überhaupt nehmen? Was meinst du? «
»Du weißt ganz genau, dass sie dich nehmen werden.« Er setzte ein grimmiges Lächeln auf. »Wer nähme Helena von Troja wohl nicht? «
»Gut. Ich denke auch, dass es funktionieren wird. Und außerdem gefällt mir die Idee. Irgendwie erscheint sie mir... gerecht.«
»Gerecht? « Jamie sah sie fragend an.
»Sie meint, dass sie ihr außergewöhnliches Gesicht Maritz und Gardeaux verdankt und dass es nur fair ist, wenn sie es sich für ihre Rachepläne zunutze macht.«
Sie hätte wissen sollen, dass Nicholas sie genau verstand.
Nicholas kannte sie so gut. Zu gut. Sie nahm die Croissants aus dem Ofen und legte sie auf den Tisch. »Ich bin nicht so groß und so dünn wie die meisten Models. Sie müssen dafür sorgen, dass die Empfehlungsschreiben hervorragend sind, Jamie.«
»Vertrauen Sie mir. Außerdem werden sie sich derart in Ihr Gesicht verlieben, dass der Rest bestimmt niemandem auffallen wird.«
»Wir werden sehen.« Sie wünschte sich, sie hätte Jamies Zuversicht.
»Offenbar denkst du schon eine ganze Weile darüber nach«, sagte Nicholas in ruhigem Ton.
»Du hast mich zwei Tage lang allein gelassen. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Däumchen drehen? «
»Gott bewahre.« Er stand auf und ging zur Tür. »Aber erinnere mich daran, dafür zu sorgen, dass du nie wieder alleine bist.«
Das Schwert Karls des Großen wurde am nächsten Morgen von einem dunkelhaarigen jungen Mann gebracht. Er schien kaum älter als Peter zu sein, aber er trug eine schwarze Lederjacke, kam auf einem Motorrad angebraust, und sein Lächeln verriet, dass er größtes Selbstvertrauen besaß.
Mit einer Verbeugung hielt er Nicholas das lederne Päckchen hin. »Hier, Señor. Die schönste Arbeit, die von meinem Vater jemals angefertigt worden ist.«
»Danke, Tomas.« Als Nicholas bemerkte, dass Tomas statt zu gehen wie gebannt in Nells Richtung sah, stellte er die beiden einander zähneknirschend vor: »Tomas Armandariz, Eve Billings.«
Tomas' Lächeln wurde noch strahlender als zuvor. »Ich bin auch ein großer Künstler. Eines Tages werde ich sehr berühmt.«
»Das ist schön«, sagte sie geistesabwesend, während sie hinter Nicholas das Haus betrat.
Der Junge folgte ihr. »Ich habe selbst viel an dem Schwert gemacht.« Nicholas zog das Schwert aus der Lederscheide heraus.
»Mein Vater hat gesagt, als Lohn für meine Arbeit darf ich für ein paar Tage nach Paris.« Tomas sah Nell mit einem betörenden Lächeln an. »Ich nehme an, Sie haben keine Lust, mit mir...«
»Auf Wiedersehen, Tomas«, sagte Nicholas, ohne von dem Schwert aufzusehen.
Tomas schien ihn nicht zu hören. »Ich war eine Weile an der Sorbonne, und ich
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