Das Schweigen der Schwaene
die Samtvorhänge vor dem Fenster auf.
Im Auditorium waren sämtliche Lampen an.
Ihre Hand vergrub sich im Vorhangstoff. Dort unten war Nicholas. Gardeaux hatte ihn dorthin gebracht, um ihn zu töten.
»Kommen Sie vom Fenster weg«, sagte Kabler vom anderen Ende des Raums, und sie fuhr zu ihm herum.
»Das können Sie nicht tun. Er ist dort unten. Wissen Sie, was man ihm dort antun wird? «
»Nach Einzelheiten habe ich nicht gefragt.« Er sah sie an. »Es tut mir leid, aber Sie scheinen ein wenig verzweifelt zu sein. Ich fürchte, dass ich ein paar Sicherheitsvorkehrungen treffen muss.« Er zog eine Waffe aus dem Holster und zielte damit auf sie. »Und jetzt kommen Sie zurück und setzen sich. Ich bin nicht wie Calder - ich weiß über Ihre Fähigkeiten Bescheid. Mich überraschen Sie nicht.«
»Sie sind also ernsthaft bereit, mich eigenhändig umzubringen?«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Aber Sie würden es tun. Macht Sie das nicht zu einem ebensolchen Widerling wie Gardeaux? «
Sein Mund war ein schmaler, zorniger Strich. »Ich werde nie so sein wie er.«
»Das werden Sie, wenn Sie mich umbringen.« Sie ging in Richtung der Tür. »Aber ich glaube nicht, dass Sie es tun.«
»Bleiben Sie hier.«
»Vielleicht lassen Sie zu, dass Gardeaux mich umbringt, aber Sie selbst werden es nicht tun. Wir sind einander ähnlich, wir sind nicht wie sie.« Sie spielte mit seiner Vernunft. »Sie könnten es niemals vor sich rechtfertigen, brächten Sie mich um.«
»Bleiben Sie stehen. Ich kann Sie nicht gehen lassen.«
Sie konnte nicht stehen bleiben. Sie war von panischer Angst um Nicholas erfüllt.
Als ihre Hand den Türgriff umklammerte, murmelte er einen Fluch und warf sich quer durch den Raum. Gleichzeitig fuhr sie herum und versetzte ihm einen gezielten Tritt in den Unterleib.
Mit einem Schrei kippte er nach vorn.
Ein zweiter Tritt in die Lenden und ein Handkantenschlag in sein Genick führten dazu, dass er bewegungsunfähig, aber immer noch nicht bewusstlos war. Doch sie musste dafür sorgen, dass er ihr nicht erneut in die Quere kam. Also nahm sie die Waffe, die er bereits beim ersten Tritt hatte fallen lassen, und hieb ihm den Knauf auf den Kopf.
Endlich klappte er die Augen zu.
Sie öffnete die Tür und rannte den Korridor und die Treppe hinab. Ihr Blick flog auf die Uhr. O Gott, zehn vor zwölf. Keine Zeit, um den Wachmann vor dem Auditorium aus dem Verkehr zu ziehen.
Keine Zeit, um die Lichter zu löschen und Nicholas die Dunkelheit zu geben, ohne die er sicher nicht entkam.
Sie kam zu spät.
23.51 Uhr
Wo, zum Teufel, steckte sie?
Pietro sprang auf ihn zu, berührte ihn beinahe mit der Spitze seines Schwerts und tänzelte davon.
Der Fechter spielte nur mit ihm. Er lieferte Gardeaux eine unterhaltsame Show. Während der letzten zehn Minuten hätte er ihm die Spitze des Schwerts mindestens ein Dutzend Mal problemlos in die Haut stechen können, denn Nichola s fühlte sich unbeholfen wie ein Bär, der eine Waffe in der Tatze schwang. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Pietros Angriffen auszuweichen, so gut es ging, damit dieser ihn hoffentlich nicht traf.
Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand.
Acht Minuten vor zwölf.
Er warf einen Blick auf Gardeaux, der in der ersten Reihe saß.
»Und, werden Sie müde, Tanek? « fragte dieser ihn.
Nicholas blockte Pietros Angriff ab und wich vorsichtig zurück.
»Ich hätte gedacht, dass Sie kräftiger sind«, rief Gardeaux.
»Pie tro kann stundenlang weitermachen, wenn er will.«
Sieben Minuten vor zwölf.
Da er nicht länger warten konnte, senkte er sein Schwert.
»Geben Sie etwa auf? Ich bin enttäuscht. Ich hätte gedacht...«
Nicholas hob das Schwert und warf es wie einen Speer in Richtung seines Angreifers. Der Mann schrie, als die Waffe in seinen Oberschenkel fuhr und ihn zu Boden warf.
Nicholas sprang vom Laufsteg und hetzte in Richtung des Sitzes, unter dem hoffentlich seine Waffe lag.
Eine Kugel zischte dicht an seinem Kopf vorbei.
»Halt ihn auf. Aber erschieß ihn nicht, du Narr.«
Nein, Gardeaux verzichtete gewiss nicht auf den Genuss, ihn leiden zu sehen. Er griff unter den Sitz und zerrte die Magnum hervor.
Ehe er allerdings die Waffe auch nur anheben konnte, hatten sie ihn erreicht. Rivil griff ihn an und trat ihm die Pistole aus der Hand. Gardeaux stand vor ihm und lächelte.
Wahrscheinlich hatte er angesichts von Terences Hilflosigkeit ebenso gelächelt, dachte Nicholas, und eine Woge des Hasses überflutete
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