Das Schweigen der Schwaene
sondern das Schwert, das das Blut in seinen Adern gefrieren ließ.
Mit schnellen Schritten kehrte er zu seinem Wagen zurück.
Zuerst würde er sich um den Spitzel kümmern und dann um die Frau. Dann wäre Gardeaux wieder zufrieden mit ihm.
»Komm her. Sofort«, herrschte Joel ihn an, und Nicholas zuckte zusammen, als er krachend den Hörer auf die Gabel fallen ließ.
Er drehte sich zu Jamie um.
»Ich muß nach Woodsdale. Irgendetwas ist passiert.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, die Operation wäre gut verlaufen«, sagte Jamie. »Inzwischen ist sie über eine Woche her, also is t es ein bißchen spät für einen Rückfall, findest du nicht? «
»Vielleicht. Ich weiß es nicht.« Nicholas zog seine Anzugjacke an und klappte die von Jamie angelegte Akte über Nell Calder zu. Er hatte sie gerade lesen wollen, als Joels Anruf dazwischen gekommen war. »Auf jeden Fall muß ich hin. Willst du mit? «
»Warum nicht? Ich habe Junot schon lange nicht mehr gesehen.« Jamie stand auf. »Wußtest du, daß ich ihm einen Job als Rausschmeißer in meinem Pub angeboten hatte, nachdem der Verein von dir aufgelöst worden war? «
» Großer Fehler.«
»Ich habe Junot immer gemocht.« Er trat hinter Nicholas aus dem Hotelzimmer in den Gang hinaus. »Aber in Woodsdale ist er besser dran. Dort läuft er weniger Gefahr, erneut in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten.«
»Das fand ich auch.«
Junot empfing sie an dem Tor, durch das man in die unterirdische Garage von Woodsdale kam. Er trug keine Uniform, denn Nicholas hatte Joel erklärt, daß das nicht erforderlich war.
»Gib mir den Wagen. Dr. Lieber erwartet dich bereits, Nicholas.
Vierter Stock.« Als er Jamie erblickte, lächelte er. »Wie geht's?«
»Nicht schlecht. Dachte, ich lasse mich ein bißchen von dir rumführen, solange Nicholas beschäftigt ist.«
»Phantastisches Alarmsystem. Du wirst beeindruckt sein. Hier hättest selbst du es nicht leicht.«
»Ah, das trifft mich ins Herz. Hast du neuerdings etwa Zweifel an mir? «
Nicholas ließ die beiden stehen und ging eilig die Rampe hinab.
Der Vordereingang von Woodsdale lag innerhalb des
Betonbunkers, der die Tiefgarage war. Vollkommen sicher und diskret, so daß keine der Berühmtheiten, die die Klinik vor einer Schönheitsoperation betrat oder verließ, je zu sehen war. Als er wenige Minuten später in der vierten Etage den Fahrstuhl verließ, wartete Joel bereits auf ihn.
»Du bist für sie verantwortlich«, stellte er grimmig fest. »Also tu was für sie.«
»Was ist los? «
»Das, was die ganze Zeit schon los gewesen ist. Sie zieht sich von Tag zu Tag mehr in ihr Schneckenhaus zurück. Ich habe schon eine ganze Armee von Psychiatern zu ihr geschickt. Ich habe sogar einen Priester geholt. Aber nichts hilft. Sie ißt nicht mehr. Sie spricht nicht mehr. Seit gestern wird sie künstlich ernährt.«
»Willst du damit sagen, daß sie sterben wird? «
»Ich denke, sie will sterben, und ihr Willen ist überraschend stark. Obwohl ich sie künstlich am Leben erhalten kann.«
Mit einem Mal erinnerte sich Nicholas daran, wie er von Terence angefleht worden war, das Beatmungsgerät abzustellen.
»Du schließt sie an keine Maschine an.«
»Dann finde du eine Lösung, wie man ihr helfen kann. Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan.« Er wies den Korridor hinab. »Dritte Tür links.«
Nicholas ging los.
»Tania sagt, daß sie einen Sinn für ihr Leben finden muß«, rief Joel ihm nach.
»Den ich ihr geben soll.«
»Du sollst ihren Lebenswillen wecken, damit meine Arbeit nicht umsonst gewesen ist.«
»Meine Methoden gefallen dir vielleicht nicht.«
»Es wird mir auch nicht gefallen, wenn sie stirbt oder in die Psychiatrie eingewiesen werden muß«, erwiderte Joel erschöpft.
»Solange du diese beiden Möglichkeiten ausschließt, kannst du machen, was du willst. Ich habe weiß Gott alles versucht.«
Und Nicholas sollte das Wunder vollbringen, das Joel nicht gelungen war. Großartig. Er öffnete die Tür.
Nells Kopf war immer noch bandagiert, und sie sah kleiner und leichter aus als beim letzten Mal. Sie starrte blind geradeaus und gab kein Anzeichen dafür, daß sie bemerkt hatte, daß er hereingekommen war.
Einen Sinn.
O ja, über dieses Thema wußte er Bescheid. Er gäbe ihrem Leben einen neuen Sinn.
Nicholas Tanek.
Sie hatte gedacht, er wäre aus ihrem Leben verschwunden, dachte Nell verwirrt. Sie wollte, daß er ging. Er war derjenige, der ihr gesagt hatte, daß Jill ermordet worden
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