Das Schweigen der Schwaene
phantastisch aus«, verbesserte Tania. »Und die Frisur paßt zu Ihnen. Lässig und doch elegant.« Sie drehte sich zu der Friseurin um. »Wunderbar, Bette.«
Bette setzte ein zufriedenes Grienen auf. »Es war mir ein Vergnügen. Schließlich hat der Torte nur die richtige Glasur gefehlt. Und jetzt brauchen Sie noch eine neue Garderobe, die zu Ihrem neuen Aussehen passt.«
»Stimmt«, pflichtete Tania ihr bei. »Ich fahre gleich morgen mit ihr in die Stadt.« Doch dann runze lte sie die Stirn. »Nein, damit wird Joel nicht einverstanden sein. Nächste Woche ist vielleicht früh genug.«
»Wir brauchen nicht extra einkaufen zu gehen«, sagte Nell. »Ich rufe einfach die Haushälterin in meinem Pariser Appartement an und sage ihr, daß sie mir ein paar Kleider schicken soll.«
»Das können Sie tun, aber Bette hat recht. Die neue Frau wird erst durch die neue Garderobe komplett.«
Die neue Frau. Diese Worte trafen nicht nur auf Nells äußere Hülle zu. In gewisser Weise war sie in Jills und Ric hards
Todesnacht ebenfalls gestorben und war wiedergeboren in der schmerzhaften Erkenntnis, daß Jill ermordet worden war. Aber die neue Frau wäre auch mit einer neuen Garderobe nicht komplett; innerlich war sie vollkommen hohl. Nun, vielleicht nicht vollkommen, erkannte sie mit einem Mal. Seit Tania in ihr Leben getreten war, hatte sie wieder so etwas wie Wärme, Belustigung und gar Freude gespürt.
»Dränge ich Sie zu sehr? « fragte Tania sie jetzt. »Das ist keine schlechte, aber eine lästige Angewohnheit von mir.«
»Sie sind nicht lästig.« Nell drehte sich zu Bette um. »Was bin ich Ihnen schuldig? «
Bette schüttelte den Kopf. »Ich bin von der Klinik angestellt, und von daher nehme ich noch nicht einmal Trinkgeld an.«
»Dann danke ich Ihnen.« Nell läche
lte. »Sie sind sehr
talentiert.«
»Ich habe mein Bestes getan, aber wie gesagt, das war nur noch die Glasur. Mit diesem Gesicht wären Sie selbst mit einer Glatze schön.«
»Also, machen Sie nun mit mir einen Einkaufsbummel in der Stadt? « fragte Tania, als sie mit ihrem Schützling den Salon verließ.
Nell hatte darüber nachgedacht. Vielleicht wäre eine Fahrt in die Stadt keine schlechte Idee. »Wenn Joel es mir erlaubt.«
»Gut. Ich werde ihm sagen, daß er alles, was wir kaufen, auf Nicholas' Rechnung setzen soll. Dann erlaubt er uns den kleinen Ausflug ganz bestimmt.«
»Warum? Mag Joel Nicholas nicht? «
»Doch, aber ihre Beziehung ist äußerst kompliziert. Joel hat ein sehr ausgeprägtes Konkurrenzdenken.«
Nell sah sie verwundert an.
»Nicholas ist...« Tania zuckte mit den Schultern. »Nicholas.«
»Aber Joel ist ein brillanter Chirurg.«
»Und Nicholas ist überlebensgroß. Es gibt ein paar Männer, die sehr lange Schatten werfen. Und es gefällt Joel nicht, im Schatten irgendeines anderen Menschen zu stehen.« Plötzlich grinste sie. »Also lebt er seine Verärgerung auf die Weise aus, die ihm am besten gefällt. Daß Sie seine Rechnung selbst bezahlen wollen, ist eine große Enttäuschung für ihn.«
Nell wollte ebensowenig in Taneks Schatten stehen.
»Schließlich geht es ja auch um mich.«
Tania sah sie an. »Sie mögen ihn nicht.«
O nein, sie mochte ihn nicht. Sie mochte es nicht, daß er die Barrieren überwand, die sie errichtet hatte, und sie mochte die Grausamkeit nicht, mit der sie von ihm ins Leben
zurückgerissen worden war. Sie mochte es nicht, daß jede Begegnung mit ihm sie an Medas erinnerte. Sie mochte es nicht, daß er sie ausschließen wollte, statt ihr behilflich zu sein. »Ich weiß, daß er Ihr Freund ist, aber mein Fall ist er nicht. Joel ist mir lieber.« Dann wechselte sie das Thema. »Hat diese Klinik auch noch andere Einrichtungen als einen Schönheitssalon? «
»Alles vom Thermalbad bis hin zum Fünf-Sterne-Restaurant.
Ein paar von Joels Patienten bleiben, bis ihre Narben gänzlich verheilt sind, und sie legen großen Wert auf diesen Komfort. An was haben Sie denn gedacht? «
»An einen Fitnessraum.«
»Den gibt's, aber ich bezweifle, daß Joel Sie jetzt schon trainieren lassen wird. Er wird abwarten wollen, bis Ihre Knochen ganz zusammengewachsen sind.«
»Ich werde mich nicht überanstrengen. Aber ich brauche unbedingt wieder ein bißchen Kraft.«
»Die kriegen Sie auch. Warten Sie's nur ab.«
Nein, sie wartete nicht mehr ab. Es machte sie wahnsinnig, so schwach und untätig zu sein. Sie wollte für ihren Rachefeldzug bereit sein, und zwar sofort. Sie wiederholte: »Ich werde mich
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