Das Schweigen der Schwaene
nicht überanstrengen, das verspreche ich.«
»Wir werden sehen, was sich machen lässt.«
»Morgen? «
Tania zog fragend die Brauen hoch. »Ich werde mit Joel sprechen. Vielleicht erlaubt er es ja, wenn ich Sie begleite und dafür sorge, daß Sie vernünftig sind.«
»Aber dazu haben Sie bestimmt keine Zeit. Ich möchte Sie nicht unnötig beanspruchen. Sie haben bereits zu viel für mich getan.«
»Das ist keine unnötige Beanspruchung. Es wird mir ein Vergnügen sein. Mir tut ein bißchen Bewegung ebenfalls gut, und die Arbeit als Joels Haushälterin ist schnell erledigt.« Sie kicherte. »Außerdem wird er sich freuen, wenn ich nicht mehr die ganze Zeit herumtelefoniere.«
Nell bedachte sie mit einem zweifelnden Blick.
»Ehrlich«, sagte Tania. »Aber Sie brauc
hen einen
Trainingsanzug. Ich kann Ihnen einen leihen, bis wir einkaufen gegangen sind.«
Nell schüttelte den Kopf. Tania hatte höchstens Kleidergröße acht. »Der würde mir nicht passen.«
»Nun, vielleicht ist er ein bißchen groß, aber das ist kein Problem. Es ist gut, wenn Sportkleidung locker sitzt.«
Nell starrte sie verwundert an.
»Es sei denn, Sie tragen nicht gerne die Kleider von jemand anderem? «
»Doch, doch, aber ich...«
»Gut.« Sie hatten die Tür von Nells Krankenzimmer erreicht, und Tania wandte sich an Phil: »Ich habe sie gesund und munter zurückgebracht. Wie gefällt Ihnen ihre neue Frisur? «
Phil pfiff bewundernd durch die Zähne. »Alle Achtung, sehr nett.«
Zu Nell sagte Tania: »Morgen früh um neun bin ich wieder da, damit ich Ihnen beim Anziehen behilflich sein kann.« Dann ging sie lächelnd und winkend den Flur hinab.
»Ich helfe Ihnen wieder ins Bett«, sagte Phil. »Sie müssen müde sein.«
Frustriert musste sie sich eingestehen, wie erschöpft sie war.
»Danke, aber ich muß lernen, allein zurechtzukommen. Ich kann mich nicht ewig...«
Noch während sie sprach, hatte Phil sie hochgehoben und trug sie zu ihrem Bett. »Aber sicher können Sie das. Sie sind das reinste Federgewicht. Und außerdem werde ich dafür bezahlt.«
Er legte sie ins Bett. »Und jetzt machen Sie ein Nickerchen, und dann komme ich mit Ihrem Essen zurück.«
Vielleicht ist er ein bißchen groß.
Sie sind das reinste Federgewicht.
Langsam hob sie den Arm, und der Ärmel ihres Bettjäckchens fiel lose herab. Einen Augenblick lang starrte sie auf ihren Arm.
Dann öffnete sie das Jäckchen und preßte das lose
Baumwollnachthemd an ihre Brust. Sie hatte mindestens zwanzig Pfund abgenommen, seit sie hierher gekommen war.
Blitzdiät, dachte sie voller Verbitterung. Fall von einem Balkon, verlier alles, was dir je von Bedeutung gewesen ist, und du wirst schlank wie ein Reh. All die Jahre hatte sie sich verzweifelt bemüht, ein paar Pfunde zu verlieren, und nun, da es nicht mehr von Bedeutung war, waren sie fort.
Aber vielleicht war es ja von Bedeutung. Ohne die Extrapfunde gewönne sie sicher schneller an Kraft.
Eitelkeit war unwichtig, aber Kraft war jetzt alles für sie.
5. Kapitel
»Ich bin nicht sicher, ob mir diese Idee gefällt«, sagte Joel nachdenklich zu Tania, während er beobachtete, wie Nell mit Phil den Korridor herunterkam. Und Nicholas wäre bestimmt ebenfalls alles andere als froh.«
»Um drei sind wir zurück«, sagte Tania. »Und Phil fährt uns nicht nur in die Stadt, sondern auch noch von Geschäft zu Geschäft. Was soll schon passieren? Es ist doch nur ein kurzer Einkaufsbummel. Er wird Balsam für ihre Seele sein.«
»Erzähl das bitte auch Nicholas.«
»Das werde ich. Vertrau mir. Dieser kleine Ausflug tut ihr gut.«
»Ich glaube nicht, daß ein Einkaufsbummel im Augenblick ihr größtes Anliegen ist.«
»Nein, aber er ist ein Teil der Normalität. Und normale Dinge zu tun ist wichtig für sie.«
»So wie ihr Krafttraining? «
Tania runzelte die Stirn. »Die Art, wie sie trainiert, ist nicht normal. Es ist, als trieb irgendeine unsichtbare Macht sie an.
Wenn du es zulassen würdest, wäre sie täglich vierundzwanzig Stunden unten im Fitnessraum.«
»Die Bewegung ist nicht schlecht für sie.« Er machte eine Pause. »Aber weißt du, du brauchst dich nicht ständig um sie zu kümmern, wenn du nicht willst. Du bist nicht für sie verantwortlich.«
»Ich mag sie, und ich will ihr helfen, wenn ich kann.« Dann fügte sie langsam hinzu: »Ich nehme an, ich erkenne mich selbst in ihr.«
»Eine Frau von deiner Sorte genügt mir vollkommen.« Er wandte sich an Nell, die neben sie beide getreten
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