Das Schweigen der Schwaene
gäbe Ihnen noch den letzten Chic.«
»Die graue Strähne ist egal.«
»O nein. Ich werde nicht zulassen, daß das von mir kreierte Gesicht einen so dürftigen Rahmen behält.« Sie wandte sich an Joel. »Meinst du, wir können morgen runter in den
Frisiersalon?«
»Da fragst du mich? Ich dachte, es wäre bereits abgemacht.«
Doch dann nickte er. »Ich nehme an, ein Friseurbesuch ist okay.«
Tania wandte sich abermals an Nell. »Morgen früh um zehn?
Ich mache dann den Termin.«
Nell zögerte. Es war nicht gerade ihr dringendster Wunsch, ein paar graue Haare loszuwerden, aber es war klar, daß Tania enttäuscht sein würde, wenn ihre Kreation irgendeinen Makel aufwiese, und Nell mochte die Frau. Was noch ungewöhnlicher war, sie fühlte sich in ihrer Nähe wohl. »Also gut.«
»O ja.« Tania strahlte über das ganze Gesicht. »Ich verspreche Ihnen, daß es Ihnen gefallen wird.«
»Ihr Taxi, Mr. Simpson.« Jamie öffnete schwungvoll die Tü r.
Nigel Simpson runzelte die Stirn. »Ich habe kein Taxi bestellt.«
»Nein, ich glaube, es war eine Dame, die bei uns angerufen hat.«
Vielleicht hatte Christine angerufen, während er unter der Dusche gewesen war. Nach ihren Liebesstunden war sie immer sehr fürsorglich, denn sie glaubte daran, daß sich jeder Stich mit Honig versüßen ließ. Er lächelte, als er daran dachte, was für eine aufregende Gespielin sie in der vergangenen Nacht gewesen war. Die Frau war einfach eine Pracht. Er stieg in das Taxi ein.
Tanek!
Nigels Finger flogen an den Türgriff zurück, doch Tanek legte seine Hand auf seinen Arm. »Nur keine Aufregung«, sagte er sanft. »Wenn ich Gewalt anwenden muß, macht mich das immer sehr unglücklich. Ich habe das Gefühl, Sie erkennen mich. Aber warum? Ich glaube nicht, daß wir uns schon einmal begegnet sind.«
Nigel befeuchtete seine Lippen. »Als Sie letztes Jahr hier in London waren, hat man Sie mir gezeigt.«
»Wer ist ›man‹? Gardeaux? «
»Ich kenne keinen Gardeaux.«
»Ich glaube, doch. Jamie, warum machen wir nicht eine kleine Spazierfahrt durch den Park? Vielleicht können wir Mr.
Simpson dadurch ja ein bißchen auf die Sprünge helfen.«
Jamie nickte und schob sich auf den Fahrersitz.
»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen«, sagte Nigel und lachte nervös. »Das Ganze muß eine Verwechslung sein.«
»Hat Gardeaux Sie auf mich aufmerksam gemacht? «
»Nein. Ich sagte Ihnen doch schon...« Als er Taneks Blick begegnete, verstummte er. Der Kerl saß vollkommen reglos da und sprach leise, fast freundlich mit ihm, aber mit einem Mal wurde Nigel von kaltem Entsetzen gepackt. »Ich weiß nichts.
Halten Sie an, ich will hier raus.«
»Ich glaube, Sie sind Buchhalter. Sie müssen sehr wertvoll für Gardeaux... und für Kabler sein.«
Nigel erstarrte. »Ich kenne keinen dieser Namen.«
»Ich bin sicher, Gardeaux weiß, wer Kabler ist. Angenommen, ich rufe ihn an und erkläre ihm, daß Sie Kablers Spitzel sind.«
Nigel schloss die Augen. Es war einfach nicht fair. Bisher war alles so gut gegangen, und jetzt tauchte dieser Bastard auf und machte ihm alles kaputt.
»Sie sind ein bißchen blaß«, stellte Tanek fest. »Soll ich das Fenster aufmachen? «
»Sie haben keine Beweise.«
»Die brauche ich auch nicht. Gardeaux geht bestimmt kein unnötiges Risiko ein, nicht wahr? «
Nein, Gardeaux würde lächelnd mit den Schultern zucken, und am nächsten Morgen wäre Nigel ein toter Mann.
Er machte die Augen wieder auf. »Was wollen Sie? «
»Informationen. Ich will regelmäßige und akkurate Berichte. Ich will alles als erster sehen, und dann werde ich entscheiden, was Kable r bekommt.«
»Bilden Sie sich etwa ein, ich wäre der einzige Buchhalter von Gardeaux? Er würde niemals einem einzigen Mann vertrauen.
Keiner von uns kriegt je mehr als einzelne Ausschnitte der Geldtransferlisten zu sehen, und das meiste davon ist auch noch kodiert.«
»Die Namenliste für Medas war nicht kodiert.«
»Aber das, worum es in dieser Liste ging.«
»Was war der Grund für den Überfall? «
»Alles, was ich wußte, habe ich Kabler geschickt.«
»Dann finden Sie mehr heraus. Ich will alles wissen, was es darüber zu wissen gibt.«
»Ich kann unmöglich danach fragen. Das wäre ein übermäßiges
Risiko.«
»Wissen Sie, Nigel.« Tanek sah sein Gegenüber lächelnd an.
»Das ist mir vollkommen egal.«
»Es sieht... seltsam aus.« Nell schüttelte den Kopf, und die blaßgoldenen Strähnen schimmerten im Licht des Salons.
»Es sieht
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