Das Schweigen der Schwaene
Er stand auf. »Ich habe uns um elf Uhr einen Flug nach Boise gebucht.
Mit Tania habe ich gestern abend schon gesprochen, aber jetzt muß ich gehen und noch ein paar andere Telefonate erledigen.«
»Boise? «
»Wir fliegen nach Boise, und dann nehmen wir eine Maschine nach Lasiter. Meine Ranch liegt fünfzig Meilen nördlich. Ich will Sie an einem Ort haben, wo ich Sie im Auge behalten kann.
So etwas wie gestern mache ich bestimmt nicht noch einmal mit, falls Sie beschließen, daß Ihnen meine Vorgehensweise zu langsam ist.«
»Und was ist mit Peter? «
Er hatte bereits die Tür erreicht, aber er drehte sich noch einmal um. »Was soll mit ihm sein? Er hat ein Zuhause. Er sagt, daß er noch einen Vater hat.«
»Sein Vater hat ihn in dieses Camp geschickt. Und vielleicht schickt er ihn wieder dorthin zurück.«
»Vielleicht auch nicht. Aber was geht Sie das an? Er wäre uns bei der Ausführung unseres großartigen Racheplans nur im Weg. Und ich dachte, das wäre alles, was für Sie von Bedeutung ist.«
»Sie waren lange genug mit ihm zusammen, um zu merken, daß Peter kein normaler Junge ist.«
»Sie meinen, daß er ein wenig zurückgeblieben ist.«
»Ich meine, daß er den Verstand eines Kindes hat. Er ist hilflos.«
Er sah sie an und wiederholte: »Was geht Sie das an? «
Ihre Augen blitzten zornig auf. »Verdammt, es geht mich etwas an. Denken Sie etwa, es macht mir Spaß, für ihn verantwortlich zu sein? Aber so ist es nun mal. Er hat mir geholfen, und ich kann ihn nicht einfach im Stich lassen. Sein Vater will ihn nicht.
Er ist der Bürgermeister einer kleinen Stadt in Mississippi, und ich glaube, daß Peter ihm peinlich ist. Ich lasse ihn nicht dorthin zurück.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Und deshalb habe ich ihm ebenfalls einen Platz im Flugzeug gebucht.«
Sie riss die Augen auf. »Tatsächlich? «
»Aber ich habe kein Interesse daran, daß man mich wegen Entführung belangt. Peter ist erst siebzehn. Und darum rufe ich jetzt seinen Vater an.«
»Denken Sie, Sie können ihn überreden...«
»Ich werde ihn überreden. Ich werde ihm erklären, falls er uns irgendwelche Schwierigkeiten macht, liefern wir den Zeitungen eine nette kleine Geschichte über den ehrenwerten Herrn Bürgermeister, der seinen zurückgebliebenen Sohn nach Ocachobi abgeschoben hat. Vielleicht machen wir sogar noch ein paar Photos dazu.« Mit einem sarkastischen Grinsen öffnete er die Tür. »Haben Sie dem Jungen nicht erzählt, wir brächten alles in Ordnung? Und wozu bin ich auf der Welt, wenn nicht, um Ihnen zu Gefallen zu sein? «
»Tanek? «
»Ja? «
»Danke, daß Sie das für mich tun. Ich weiß, daß er Ihnen vielleicht lästig ist.«
»Das werde ich nicht zulassen.« Er sah sie nicht an. »Und ich tue es nicht für Sie. Die meisten Erwachsenen können auf sich selbst aufpassen, aber es macht mich wahnsinnig, wenn jemand Kindern etwas zuleide tut.«
»Wie Tania? «
»Tania war niemals hilflos, noch nicht einmal, als sie jünger war.« Er sah sie an. »Anders als Jill. Wenn Sie mich gewähren lassen würden, würde ich mir Maritz vorknöpfen und dafür sorgen, dass er sehr langsam stirbt.«
Er meinte es ernst, und heiße Freude wallte in ihr auf, als ihr klar wurde, dass er ihr nicht nur aus Schuldbewusstsein half. Er war wütend und empört und wollte Jill rächen, weil es gerecht und richtig war. Sie war nicht allein.
Sie schüttelte den Kopf: »Ich muss es selbst tun.«
Er nickte und ging.
Drei Monate waren eine lange Ze it. Zu lange.
Aber sie musste sichergehen. Sie konnte es nicht riskieren, getötet zu werden, ehe Maritz starb. Tanek war ein Teil von Gardeaux' Welt, er kannte die Gefahren, die dort lauerten. Er hätte bestimmt eher gehandelt, wenn er dächte, dass es eine Chance gab.
Drei Monate
Nutzen Sie die Zeit, und bereiten Sie sich vor.
Wenn sie ihn schon nicht überreden konnte, vor Dezember aktiv zu werden, täte sie genau das - sie würde sich vorbereiten, so gut es ging. Vielleicht dachte Tanek, ihre Entschlossenheit ließe in der Wildnis nach. Aber das täte sie nicht.
Fünf Minuten später kam Peter in ihren Raum. Er trug khakifarbene Shorts, und sein T-Shirt war mit einem grinsenden Alligator verziert, der eine Braves-Baseballkappe trug. Eine identische Baseballkappe saß keck auf seinem Kopf, und seine blauen Augen blitzten aufgeregt. »Wir fliegen zu Nicholas
Ranch. Hat er Ihnen das schon erzählt? «
»Ja.«
Er warf sich auf ihr Bett. »Er hat Pferde und Schafe und
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