Das Schweigen der Schwaene
zurück.
»Etchbarras«, sagte Peter mit einem Mal. »Das war der Name.
Der Name von dem Mann, der die Hütehunde hat.«
»Michaela ist mit Jean verheiratet.« Tanek verzog das Gesicht.
»Sie lässt sich dazu herab, als meine Haushälterin zu fungieren, wenn er mit den Schafen in den Bergen ist. Sobald er zurückkommt, kehrt sie auf die Bar X zurück und schickt zweimal in der Woche eine ihrer Töchter zum Saubermachen her.«
»Wie viele Töchter hat sie denn? « fragte Nell.
»Vier.«
»Nachdem ich erlebt habe, wie argwöhnisch Sie im Hotel der armen Frau vom Zimmerservice gegenüber waren, überrascht es mich, dass Sie sie auf das Grundstück lassen.«
»Sie gehören dazu. Sie sind in keiner Weise gefährlich für mich.
Die Etchbarras leben schon seit Anfang dieses Jahrhunderts mit ihren Schafen hier. Sie kamen aus dem spanischen Baskenland und haben sich hier niedergelassen. Die meisten Leute hier in der Umgebung sind Basken. Sie bilden eine eingeschworene
Gemeinde, in der ich der Außenseiter bin.«
»Aber Ihnen gehört die Ranch.«
»Ach ja? Ich habe sie mit Geld gekauft. Sie haben auf andere Weise dafür bezahlt.« Er presste die Lippen zusammen. »Aber Sie haben recht. Die Ranch gehört mir, und ich werde lernen, hierher zugehören und das festzuhalten, was mein Eigentum ist.«
Sein leidenschaftlicher Ton überraschte sie. Dieser Ort war eindeutig mehr als eine Festung für ihn. Nells Blick wanderte zur Tür, hinter der die Haushälterin verschwunden war.
Geistesabwesend sagte sie: »Sie hat ein phantastisches Gesicht.
Sie ließe sich bestimmt wunderbar porträtieren.«
Er zog spöttisch die Brauen hoch. »Lodert da etwa eine sanftere Flamme hinter der fanatischen Brust? Porträtieren? Was für eine Zeitverschwendung.«
Sie war selbst überrascht. Seit Medas hatte sie kein einziges Mal an ihre Malerei gedacht. »Es war nur so eine Feststellung. Ich habe nicht gesagt, dass ich sie zeichnen will. Sie haben recht, dazu habe ich keine Zeit.«
»Wer weiß.« Sein Blick wanderte zu den Bergen hinauf. »Hier scheint die Zeit langsamer als anderswo zu vergehen.
Vielleicht...«
In diesem Augenblick wirbelte ein braunbeiger Tornado durch die Eingangstür. Unter dem Druck der Vorderpfoten des deutschen Schäferhunds verlor Tanek beinahe das
Gleichgewicht.
Er knurrte erbost, doch der Hund quietschte und winselte, und fuhr ihm mit seiner großen Zunge durch das Gesicht.
»Sitz, Sam.«
Der Hund ignorierte ihn.
Tanek seufzte resigniert und kniete sich auf den Boden, wo er für den Hund besser zu erreichen war. »Bringen wir's hinter uns.«
Nell beobachtete verblüfft, wie der Hund aufgeregt um ihn herumsprang und ihm das Gesicht ableckte, als bekäme er nicht genug von ihm.
Tanek zog eine Grimasse und hielt sich zum Schutz vor der aufdringlichen Zunge den Arm vor dem Mund. Als er ihrem Blick begegnete, runzelte er die Stirn. »Was hatten Sie denn erwartet? Struppi vielleicht? Ich bin kein Hundetrainer. Der einzige Befehl, dem er gehorcht, ist ›komm fressen‹.«
Für gewöhnlich ging eine solche Kraft und ein solches Selbstbewusstsein von Tanek aus, dass sie sich einfach nicht hatte vorstellen können, dass er einem Tier gestattete, in seiner Gegenwart anders als diszipliniert und wohlerzogen zu sein. »Er ist wunderschön.«
»Ja.« Tanek zupfte zärtlich an den Ohren des Hundes herum.
»Ich mag ihn.«
Was offensichtlich war. Nie zuvor hatte sie Tanek derart offen erlebt.
»Darf ich ihn streicheln? « fragte Peter.
»Später. Er mag keine Fremden.«
Was für Nell unvorstellbar war. Der Hund hatte sich inzwischen unterwürfig auf den Rücken gelegt und winselte glückselig, als Tanek ihn zu kraulen begann. Sie trat einen Schritt näher.
Sofort war der Hund wieder auf den Beinen und starrte sie mit gefletschten Zähnen an.
Schockiert blieb sie stehen.
»Schon gut«, sagte Tanek in besänftigendem Ton. »Schon gut, alter Junge.«
»Er verhält sich wie ein ausgebildeter Wachhund.«
»Das hat ihm das Leben beigebracht.« Er stand auf. »Ich habe ihn halb verhungert am Straßenrand gefunden, als er noch ein kleiner Welpe war. Er vertraut nur sehr wenigen Menschen.« Er lächelte Peter an. »Lass ihm Zeit, damit er sich an dich gewöhnt.«
Peter nickte, aber es war nicht zu übersehen, wie enttäuscht er war. »Ich hatte gehofft, dass er mich mag.«
»Das wird er auch.« Er ging zur Tür. »Ich werde Michaela bitten, dass sie dich morgen früh zur Ranch rüberfährt. Die Hütehunde
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