Das Schweigen der Schwaene
«
»Geben Sie eigentlich niemals auf? «
»Wenn ich gewusst hätte, wie ich mich gegen ihn zur Wehr setzen kann, hätte Maritz es nie geschafft, mich über die Balkonbrüstung zu stoßen. Ich wäre in der Lage gewesen, mich zu verteidigen.«
Und Jill.
Die Worte wurden nicht ausgesprochen, aber trotzdem wusste er, dass es ihr um ihre Tochter ging. Er nickte knapp.
»Übermorgen. Morgen muss ich zu Jean auf die Bar X.«
Sie bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick. »Und Sie versuchen nicht nur, mich zu vertrösten? «
»Das käme mir nie in den Sinn. Ich werde Ihnen alles beibringen, was in Bezug auf Tod und Verderben für Sie von Interesse ist. Aber das wird weniger sein als das, was Ihnen auf diesem Gebiet von Gardeaux oder Maritz geboten werden kann.«
»Es wird reichen.«
»Das wird es nicht. Aber selbst wenn, was werden Sie anschließend tun? Man braucht einen bestimmten Charaktertyp, wenn man einen Mord überleben will.«
»Es wäre kein Mord«, sagte sie verletzt.
»Sehen Sie, Sie scheuen schon jetzt davor zurück.« Und dann wiederholte er: »Mord. Wenn man einem Menschen das Leben nimmt, ist das Mord. Egal, aus welchem Grund. Nette Menschen wie Sie lernen von Kindesbeinen an, dass das etwas Schreckliches ist.«
»Nette Menschen haben auch selten dieselben Beweggründe wie ich.«
»Das stimmt, und Sie sind auch nicht mehr die Frau, der ich auf Medas begegnet bin. Aber im Grunde Ihres Herzens sind Sie trotzdem dieselbe. Der Wind beugt das Schilfrohr zwar, aber er...«
»Schwachsinn.«
»Ach ja? Sie wollen hart und kalt sein und alles von sich schieben, aber so geht es einfach nicht. Oh, mit mir ist es ganz einfach, aber was ist mit Tania, und wie sieht's mit Peter aus? «
»Das ist etwas anderes. Sie haben mit Maritz und Gardeaux nichts zu tun.«
»Aber Sie haben alles mit dem Menschen zu tun, der Sie sind.«
»Sie denken, ich schaffe es nicht? Sie irren sich.«
»Ich wette, Sie tun es nicht.« Und müde fügte er hinzu: »Und außerdem will ich auch nicht, dass Sie es tun.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Übermorgen. Acht Uhr früh. Ziehen Sie Sportsachen an, und frühstücken Sie nicht.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und verließ den Raum.
Er irrte sich, sagte sie sich. Er musste sich irren. Es wäre besser, wenn sie Distanz wahrte zu ihm, aber selbst wenn ihr das nicht gelänge, hielte sie an ihrer Entschlossenheit fest.
»Peter.« Sie drehte sich zu dem Jungen um. »Es ist Zeit, ins Bett...«
Sam hatte seinen Kopf auf Peters Knie gelegt, und der Junge streichelte seinen Hals. Seine Miene verriet, wie glücklich er war.
Es könnte passieren. Hauptsache, sein Wille ist stark genug.
Freude überkam sie. Offenbar hatte sich Peter Sams Zuneigung stark genug gewünscht.
Und außerdem will ich nicht, dass Sie es tun.
Ihr Lächeln legte sich, als sie sich an Taneks Worte erinnerte.
Sein Wille war wesentlich stärker als der des Jungen, und er hatte die Absicht, ihr seinen Willen aufzuzwingen, ob es ihr gefiel oder nicht.
Nun, sie war nicht Sam. Es würde ihm nichts nützen, denn sie war ebenfalls ein willensstarker Mensch. »Komm, Peter«, sagte sie brüsk. »Zeit ins Bett zu gehen. Sam ist morgen auch noch da.«
Tot. Die Frau war tot.
Maritz legte zufrieden den Hörer auf. Er hatte nicht versagt. Es hatte ein bisschen gedauert, aber jetzt war die Calder tot. Er konnte Gardeaux berichten, dass die Arbeit erledigt war.
Vielleicht.
Trotz seiner Zufriedenheit nagte immer noch ein gewisses Unbehagen an ihm. Gardeaux hatte gesagt, er hätte versagt, die Frau käme durch. Und der Kerl irrte sich so gut wie nie.
Er stünde wie ein Trottel da, wenn sich herausstellte, dass der
Totenschein der Frau eine Fälschung und dass sie selbst an einen sicheren Ort gebracht worden war. Und Gardeaux hatte Trottel noch nie gemocht.
Es würde nichts schaden, wenn er auf Nummer Sicher ging.
Er blickte auf den Zettel in seiner Hand. Das Krankenhaus?
Zuviel Betrieb.
John Birnbaum Bestattungsinstitut.
Er schob den Zettel in die Hosentasche und lächelte.
»Hier.« Tanek warf ein großes Paket neben Nell auf die Couch.
»Ein Geschenk.«
Nell blickte verwirrt zu ihm auf. »Ich dachte, Sie wollten auf die Ranch, um Ihren Vormann zu sehen.«
»Ich war auf der Ranch. Aber auf dem Rückweg war ich noch kurz in der Stadt. Machen Sie's auf.«
Sie nestelte an dem Klebeband herum. »Peter ist noch nicht von der Ranch zurück.«
»Jean hat festgestellt, dass er den Jungen mag, und hat ihm
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