Das Schweigen der Schwaene
gibt.«
»Woher kennen Sie ihn? «
»Wir sind uns vor vielen Jahren in Hongkong begegnet. Wir waren damals im selben Geschäft. Obwohl er vielseitiger war.«
»Sie meinen, dass Sie beide Kriminelle waren«, sagte sie unverblümt.
Er nickte. »Aber mein Netz war begrenzter. Ich fand es besser so.«
»Warum? «
»Ich habe diese Arbeit nie als mein Lebenswerk betrachtet.«
Und ernst fügte er hinzu: »Eigentlich wollte ich Neurochirurg werden.«
Sie starrte ihn verwundert an, und er grinste vergnügt.
»Das war nur ein Scherz. Ich wollte genug Geld verdienen und dann aussteigen. Wenn man in dem Geschäft groß rauskommt, tritt automatisch eins von zwei Dingen ein. Entweder mischt man irgendwann im Drogenhandel mit und hat von dem Augenblick an ständig irgendwelche Gesetzeshüter am Hals, oder man gewöhnt sich an die Macht und kommt nicht mehr davon los. Ich fand keine der beiden Aussichten allzu verführerisch, also habe ich dafür gesorgt, dass ich immer schön bescheiden und unauffällig blieb.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie jemals bescheiden oder unauffällig sind.«
»O doch, das war ich.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Relativ.«
»Aber Gardeaux war weder das eine noch das andere.«
»Nein, Gardeaux wollte Gott sein.« Er dachte nach. »Oder vielleicht Cesare Borgia. Das wusste ich nie so genau.
Wahrscheinlich Gott. Das Geheimnis, das Borgia umgab, hätte ihm gefallen, aber das Ende des Prinzen war weniger schön.«
Nur mühsam unterdrückte sie ihre Ungeduld. »Und wie haben Sie ihn kennen gelernt? «
»Es gab da eine Tang-Vase, an der wir beide Interesse hatten, und er sagte mir, ich sollte mich zurückhalten.«
»Und was haben Sie getan? «
»Ich habe mich zurückgehalten.«
Diese Erklärung schockierte sie.
»Damit habe ich ein gutes Geschäft gemacht. Er hatte mehr Muskeln als ich, und ein Krieg hätte mich mehr als ein Dutzend Tang-Vasen gekostet.«
»Ich verstehe.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das tun Sie nicht. Sie denken, ich hätte es mit ihm aufnehmen sollen. Sie denken, Sie an meiner Stelle hätten einen Grabenkrieg gegen den Hund geführt.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Ich habe bereits vor langer Zeit gelernt, dass man die Konsequenzen jeder Schlacht sorgfältig abwiegen sollte, ehe man sie beginnt. Ich hatte die Absicht, noch ein Vermögen zu verdienen, und außerdem gab es Leute, für die ich
verantwortlich war.«
»Wie Phil? «
»Er gehörte damals dazu.«
»Und er arbeitet immer noch für Sie.«
»Gelegentlich. Als ich genug Geld hatte, habe ich das Netz aufgelöst. Obwohl ihre Talente auch bei den anderen Organisationen willkommen gewesen wären, kamen ein paar meiner damaligen Partner zu dem Schluss, dass sie kein Interesse daran hatten, zu einem der anderen Vereine zu gehen.«
»Also haben Sie ihnen geholfen, ein ne ues Leben zu beginnen.«
»Ich konnte sie ja wohl kaum einfach hängen lassen. Sie gehörten in meinen Verantwortungsbereich.«
Loyalität. Sie wollte nicht, dass er irgendwelche Eigenschaften hatte, die sie bewunderte. Als sie angefangen hatte, ihn auszufragen, hatte sie einzig an Gardeaux Interesse gehabt, doch nun erfuhr sie mehr über Tanek als über ihn. Es wäre besser, sie kämen auf das ursprüngliche Thema zurück. »Aber Ihre Zurückhaltung hat Ihnen nichts genützt? Trotzdem hat er Ihren Freund umgebracht? «
»Das war später.« Er stand auf und streckte sich. »Zeit, ins Bett zu gehen.«
Wieder hatte er dicht gemacht, und eilig sagte sie: »Sie haben mir noch nicht annähernd so viel über Gardeaux erzählt, wie ich wissen will.«
»Dafür ist später noch Zeit. Schließlich werden Sie lange genug hier bei uns sein.«
Sie stand ebenfalls auf. »Trotzdem will ich keine Zeit verlieren, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist.« Sie machte eine Pause. »Offensichtlich haben Sie gute Kontakte. Werden Sie versuchen, für mich herauszufinden, warum Maritz von Gardeaux auf mich angesetzt worden ist? «
»Wozu? «
»Wozu? Ich muss es wissen, denn ich muss versuchen, den Sinn dieser ganzen Sache zu verstehen. Ich stolpere schon viel zu lange in diesem Alptraum herum.«
»Meinen Sie, dass sich Ihr Plan dann ändern wird? «
»Nein.«
»Dann würde ich sagen, dass das Motiv für den Anschlag unwichtig ist.«
»Für mich nicht.«
Er sah sie an, ohne etwas zu sagen.
Er würde es nicht tun. »Also gut. Fangen Sie dann wenigstens morgen an, mir beizubringen, was Sie mit Wilkins gemacht haben?
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