Das Schweigen des Glücks
meine Eltern nicht mehr im Haus und ging zur Tür. Ich hatte immer noch nicht begriffen, was los war, und als ich die Tür aufmachte, wurde ich von dem Rauch und der Hitze zurückgeworfen. Die Wände und die Decke brannten lichterloh, aber es kam mir so unwirklich vor, dass ich nicht verstand, wie ernst die Lage war. Wäre ich in dem Moment da durchgerannt, hätte ich es wahrscheinlich geschafft, aber auf die Idee kam ich nicht. Ich starrte auf die Flammen und dachte, wie seltsam alles aussah. Ich hatte nicht einmal Angst.«
Taylor krümmte sich, als suchte er Schutz, und fuhr mit heiserer Stimme fort:
»Schon im nächsten Moment war alles ganz anders. Bevor ich wusste, was geschah, stand alles in Flammen und der Weg nach unten war versperrt. Erst in dem Moment begriff ich, dass etwas Schreckliches passierte. Es war die ganze Zeit so trocken gewesen, dass das Haus wie Zunder brannte. Ich weiß noch, wie ich dachte, das Feuer sei so… lebendig. Das Feuer schien genau zu wissen, wo ich war, und eine Stichflamme schoss auf mich zu und warf mich um. Ich schrie nach meinem Vater. Aber er war schon weg und ich wusste, dass er nicht mehr da war. Ich war voller Panik und hastete zum Fenster. Als ich es aufmachte, sah ich meine Eltern auf dem Rasen vor dem Haus. Meine Mom hatte ein langes Hemd an und mein Vater war in Boxer-Shorts und sie rannten umher und riefen nach mir. Einen Moment lang brachte ich keinen Ton heraus, aber meine Mom schien zu spüren, wo ich war, und sah zu mir rauf. Ich weiß noch, wie sie guckte, als sie merkte, dass ich noch im Haus war. Ihre Augen wurden riesengroß und sie legte die Hand vor den Mund und fing an zu schreien. Mein Vater – er war am Zaun – drehte sich um und sah mich. In dem Moment fing ich an zu weinen.«
Taylor rollte eine Träne aus dem Auge, ohne dass er es zu merken schien. Denise krampfte sich der Magen zusammen.
»Mein Dad… mein großer, starker Dad kam wie der Blitz über die Wiese gerannt. Inzwischen stand das ganze Haus in Flammen und ich hörte, wie unten Sachen einstürzten und zusammenbrachen. Der Rauch drang bis zum Dachboden hinauf und war furchtbar dicht. Meine Mom schrie meinem Vater zu, er solle etwas tun, und er kam und stellte sich direkt unter das Dachbodenfenster. Ich erinnere mich, wie er rief:
›Spring, Taylor! Ich fang dich auf! Ich fang dich auf, ich verspreche es dir!‹
Aber statt zu springen, weinte ich nur noch lauter. Das Fenster war bestimmt sechs, sieben Meter hoch und es kam mir so hoch vor, dass ich Angst hatte, ich würde sterben, wenn ich sprang.
›Spring, Taylor! Ich fang dich auf!‹
Er rief es immer wieder:
›Spring! Komm, spring!‹
Meine Mom schrie immer lauter und ich weinte und dann rief ich nach unten: ›Ich hab Angst.‹«
Taylor schluckte.
»Je dringlicher mein Vater rief, ich solle springen, desto mehr erstarrte ich. Ich hörte das Entsetzen in seiner Stimme, meine Mom war außer sich vor Panik, und ich schrie: ›Ich kann nicht springen, ich habe Angst!‹ Und ich hatte wirklich Angst, obwohl ich mir heute sicher bin, dass er mich aufgefangen hätte.«
Ein Muskel in seiner Wange zuckte und seine Augen waren umschattet. Er schlug sich mit der Faust auf den Oberschenkel.
»Ich sehe meinen Vater noch vor mir, als ihm bewusst wurde, dass ich nicht springen würde – es wurde uns im selben Moment klar. Er hatte Angst, aber nicht um sich. Er hörte auf zu rufen, ließ die Arme sinken und sah mir direkt in die Augen. Es war, als würde die Zeit stehen bleiben – es gab nur noch uns beide. Meine Mom hörte ich nicht mehr, ich spürte die Hitze nicht mehr, ich bemerkte auch den Rauch nicht mehr. Ich konnte nur noch an meinen Vater denken. Dann nickte er fast unmerklich und wir wussten beide, was er tun würde. Er drehte sich um und rannte zur Tür.
Er rannte so schnell, dass meine Mom ihn nicht aufhalten konnte. Das Feuer war jetzt überall, es kam immer näher an mich ran und ich war so verängstigt, dass ich nicht mal mehr schreien konnte.«
Taylor presste die Handballen auf die Augen, ließ die Hände wieder in den Schoß fallen und zog sich in die Sofaecke zurück, als scheute er sich, seine Geschichte zu Ende zu erzählen. Mit großer Anstrengung fuhr er fort:
»Es verging wahrscheinlich nicht mehr als eine Minute, bis er bei mir war, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Obwohl ich den Kopf aus dem Fenster gestreckt hatte, konnte ich kaum atmen. Überall war Rauch. Das Brüllen des Feuers war ohrenbetäubend. Die
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