Das Schweigen des Glücks
er sich anstrengen muss, um etwas zu verstehen… wie sehr er versucht, die Menschen glücklich zu machen… wie sehr er möchte, dass die Menschen ihn mögen – und er wird einfach übersehen…«
Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete, und tat einen tiefen Atemzug, um die Fassung zu bewahren.
»Du hast keine Ahnung, wie weit er es schon gebracht hat, Taylor. Du kennst ihn erst seit kurzem. Aber wenn du wüsstest, wo wir angefangen haben und wie viele Hürden er schon überwunden hat – du wärst so stolz auf ihn… «
Trotz ihrer Bemühungen traten ihr die Tränen in die Augen.
»Und dann wüsstest du auch, was ich weiß. Dass Kyle ein größeres
Herz
und mehr
Geist
hat als andere Kinder, die ich kenne… dann wüsstest du, dass Kyle der beste kleine Junge ist, den sich eine Mutter wünschen kann… Du wüsstest, dass Kyle trotz allem das Großartigste ist, was mir je in meinem Leben widerfahren ist. Und das ist das Gute in meinem Leben.«
All die Jahre, in denen sie diese Worte in sich aufgestaut hatte; all die Jahre, in denen sie diese Worte zu jemandem hatte sagen wollen. All die Jahre und all die Gefühle – die guten wie die schlechten – es war eine solche Erleichterung, sie plötzlich rauszulassen. Sie war zutiefst dankbar, dass sie das getan hatte, und hoffte von ganzem Herzen, dass Taylor sie irgendwie verstand.
Taylor konnte nichts erwidern und schluckte den Kloß runter, der in seiner Kehle saß. Nachdem er erlebt hatte, wie sie über ihren Sohn sprach – über ihre ganze Angst und ihre ganze Liebe –, war der nächste Schritt fast intuitiv. Ohne ein Wort nahm er sanft ihre Hand. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ein vergessenes Wohlgefühl, aber sie versuchte nicht, ihre Hand wegzuziehen.
Mit ihrer freien Hand wischte sie sich eine Träne weg, die ihr über die Wange rollte, und zog die Nase hoch. Sie sah erschöpft aus, immer noch ein wenig trotzig und sehr hübsch.
»Ich habe nie etwas Schöneres gehört«, sagte er schließlich.
Als Kyle noch ein drittes Mal mit dem Karussell fahren wollte, musste Taylor Denises Hand loslassen und zu dem Mann gehen, um ihm die Karte zu geben. Als er zurückkam, war der Moment vorüber. Denise stand am Geländer und hatte die Ellbogen aufgestützt. Taylor ließ es dabei bewenden, doch als er sich neben sie stellte, konnte er immer noch ihre Berührung auf der Haut spüren.
Sie verbrachten noch eine gute Stunde auf der Kirmes, fuhren mit dem Riesenrad – zu dritt klemmten sie sich auf die wacklige Sitzbank und Taylor machte sie auf ein paar markante Punkte aufmerksam, die man von oben sehen konnte – und dem Oktopus, einem sich drehenden, auf und ab sausenden, magenverdrehenden Gerät, von dem Kyle gar nicht genug kriegen konnte.
Zum Schluss gingen sie zu dem Bereich, wo die Glücksspiele aufgebaut waren. Wenn man drei Ballons mit drei Pfeilwürfen traf, konnte man etwas gewinnen, traf man zwei Körbe, gewann man auch. Die Budenbetreiber riefen ihre Angebote aus, doch Taylor ging an allen vorbei, bis sie zu der Schießbude gelangten. Die ersten paar Schüsse brauchte er, um das Gewehr zu testen, dann landete er fünfzehn Treffer hintereinander und tauschte jeden Gewinn gegen den nächstgrößeren ein. Als er fertig war, hatte er einen riesigen Pandabären gewonnen, der nur ein bisschen kleiner war als Kyle. Der Budenbetreiber händigte den Preis nur widerwillig aus.
Denise genoss jede Minute. Es erfüllte sie mit Dankbarkeit, dass Kyle Neues ausprobierte –
und seinen Spaß daran hatte.
Der Bummel über die Kirmes war eine schöne Abwechslung. Es gab Momente, da hatte sie das Gefühl, jemand anders zu sein, jemand, den sie nicht kannte. Als es dämmrig wurde, blinkten die Lichter an den Karussells und mit zunehmender Dunkelheit verstärkte sich die Atmosphäre der Ausgelassenheit, weil alle wussten, dass all dies am nächsten Tag vorbei sein würde.
Alles war genau richtig, so, wie sie es kaum zu hoffen gewagt hatte.
Oder sogar noch besser – wenn das überhaupt möglich war.
Als sie nach Hause kamen, holte Denise einen Becher Milch für Kyle und ging mit ihm in sein Zimmer. Sie setzte den Riesenpanda in eine Ecke, so dass Kyle ihn sehen konnte, und half ihm, seinen Schlafanzug anzuziehen. Sie betete mit ihm und gab ihm seine Milch zu trinken.
Seine Augen fielen schon zu.
Am Ende der Gutenachtgeschichte war er eingeschlafen. Denise ging aus dem Zimmer und ließ die Tür leicht angelehnt.
Taylor wartete in der Küche auf sie,
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