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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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benannt ist, stehen sieschon tagsüber vor ihren kleinen ebenerdigen Studios, deren Zugänge zumeist mit blinkenden Lichterketten und rosa Herzchen verziert sind. Gemütlich, beinahe dörflich wirkt diese Gegend im zweiten Bezirk, eine verschlafene Mischung aus dem Amsterdamer Achterburgwal und dem Montmartre vergangener Tage.
    Die mit Abstand bekannteste Rotlichtmeile Wiens ist der Gürtel, der sich um die Innenbezirke spannt wie ein etwas zu enges Kondom. Ab neun Uhr abends verwandelt er sich über mehrere Meilen hinweg zum Großmarkt der Fleischlichkeit. Vor ungezählten Bars und Bordellen mit Namen wie
Tempel der Lüste
oder
Gomorrha
schlendern die Schönen der Nacht auf und ab; leicht bekleidet, meist nur mit winzigen Bikinis und glitzernden Schaftstiefeln angetan, promenieren sie hinter den geparkten Autos wie Marionetten auf einer Puppenbühne. Was der Wahrheit ja auch ziemlich nahe kommt.
    Wenn nun der Prater die elende Suppenküche des Liebesgewerbes ist, das Stuwerviertel der ärmliche Würstelstand und der Gürtel die Fleischhauerei mit angeschlossenem Schnellimbiss, dann stellt sich natürlich die Frage, wo denn in Wien die Haute Cuisine der käuflichen Liebe beheimatet ist, die Luxusklasse des Lasters, wenn man so will. Der Markt ist schließlich eine Pyramide, hart, kompakt und spitz; er kann sich keine Lücken leisten, schon gar nicht ganz oben, wo einsame Männer mit goldenen Taktstöckchen darüber wachen, dass ihm kein Leid geschieht. Umtost vom rauen Wind des Wettbewerbs, brauchen ja auch sie zuweilen einen Trost, ein kultiviertes Tête-à-tête zum Beispiel, um auch die weichen und weiblichen Seiten des Lebens nicht ganz zu vergessen.
    Was die so genannten Edelnutten anbelangt, so sind sie schwerlich auf der Straße zu finden. Als Primadonnen der Liederlichkeit machen sie sich rar, jedenfalls in der Regel: Ihre Nummern sind zumeist nur einem kleinen, aber hochpotentenKundenstock geläufig, sprengen doch ihre Tarife das Fassungsvermögen kleinerer Beutel. Ihre Arbeit verrichten sie dort, wo ihre Gönner sie hinbestellen: Nicht selten sind das noble Suiten in der Innenstadt, zuweilen auch Villen im Grüngürtel, in denen sie sich entblättern. Hin und wieder ist es aber auch das eine oder andere Hotel, und eines dieser Hotels hat sich als gleichermaßen verschwiegenes wie auch gediegenes Liebesnest einen großen Namen gemacht: Das Hotel
Orchidee
am Hohen Markt. Im
Orchidee
wird nicht gevögelt, sondern verkehrt, seine plüschigen Boudoirs und Séparées sind kultische Stätten, in denen dem Eros gehuldigt wird. Im Lauf der über hundert Jahre seines Bestehens haben sich große Männer in seinen Laken verewigt, unter – manchmal falschem – Namen auch in seinem Gästebuch.
    «Elegant», murmelt der Lemming, als er aus dem Taxi steigt und hinter Walla und Pekarek die Stufen zum Foyer hinaufsteigt. «Seids ihr wirklich sicher, dass er   …?»
    «Sicher is nur der Tod», brummt Walla. «Drei Minuten, klar? In drei Minuten kommst uns nach   …» Und er drückt die Tür zur kleinen, schummrigen Bar auf, die dem verwinkelten Rest, den schmalen Gängen und geheimnisvollen Nischen des Hotels als Vorhof dient.
     
    Sie sind dann nämlich doch noch eine Zeit lang im Garten des Cafés
Kairo
gesessen. Dem Lemming ist ein Gedanke gekommen, just als Walla und Pekarek das Weite suchen wollten.
    «Momenterl noch!», hat er gerufen, als die beiden Strizzis ohne ein Wort des Dankes aufgestanden sind. «Momenterl noch, bleibts sitzen. Und hörts mir zu   …»
    Walla hat die Augen verdreht und hat sich mit einem verzweifelten «Arschlecken!» wieder in seinen Sessel fallen lassen. Pekarek hat es ihm – etwas zeitverzögert – gleichgetan.
    «Beruhigts euch, meine Herren, beruhigts euch und passts auf: Ich hab euch ein Geschäft vorzuschlagen   …»
    «Schau an! Das muss unser Glückstag sein! Kommst uns jetzt wieder mit deine Erpressermethoden?»
    «Nein», hat der Lemming rasch abgewiegelt. «Nur keine Angst. Die Pflicht habts ihr erledigt, das ist mir schon klar. Aber jetzt, meine Herren, jetzt kommt die Kür   … Was tätets ihr von, sagen wir, tausend Euro halten?»
    Ein Engel ist über den Kirchplatz gegangen. Hat Walla ein leises Pfeifen entlockt. Nicht so schwierig mit zwei ausgeschlagenen Schneidezähnen.
    «Fünfhundert dafür, dass ihr von jetzt an die Finger von der Pokorny-Sache lassts. Und fünfhundert dafür, dass ihr mich zum Plessel bringts   …»
    Der schnelle Finger hat den Schmierer

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