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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Hauptwachtmeister. Ja, wir kennen den Vergaser Auspuff. Er is alle zwei, drei Wochen bei uns vorbei’kommen, damals noch am Gürtel. Auf a Glaserl Sekt in der
Babsi-
Bar   …»
    «Er hat Sekt getrunken?»
    «Quasi, Wallisch. Quasi. Aber offiziell hat’s immer g’heißen, er kommt kontrollieren, ob eh alles in Ordnung is. Weißt eh, Hygiene, Konzessionen, der ganze Schas. Einer muss sich ja kümmern um den Wildwuchs, hat er g’sagt, der Trottelpimpf. Is hereinstolziert mit seine schwarzen Nazistiefeln, hat irgendwelche großen Reden g’schwungen von Verantwortung und Politik   … Aber bittschön, jeder kommt halt anders auf Touren. Und dann, wenn er sich endlich warmg’redet hat, der Vergaser, hat er sein’ Sekt ’kriegt. So. Aber jetzt hat er ja auf einmal Karriere g’macht, der Plessel, und deshalb kommt er auch nimmer zu uns in die
Babsi-
Bar. Jetzt geht er nämlich ins
Orchidee
kontrollieren, der feine Herr Gut, und zwar regelmäßig. Einmal in der Wochen, mindestens. Macht geil, wenn man von heut auf morgen Oberwasser hat   …»
    Walla hat die Augen aufgerissen und zwei-, dreimal die Zungenspitze durch seine Zahnlücke geschoben.
    «Und woher wissts ihr, dass er grad heute   …»
    «Dass er grad heut is, wo er is? Ganz einfach, Wallisch: Kontakte, verstehst? Kontakte! Mein Mausi, also mein Ex-Mausi, also
eins
von meine Ex-Mausi, arbeitet im
Orchidee
. Hat sich’s verbessert, schenkt aus hinter der Budel. Die weiß genau, wann wer wo was treibt in der Hütten. Und der Vergaser hat für jeden Dienstagnachmittag a Zimmer reserviert   …»
    «Er trinkt seinen Sekt am Zimmer?»
    «Quasi, ja   … Und seine Gorillas saufen derweil a Bier an der Bar. Kannst froh sein, dass d’ an solche Profis wie uns geraten bist, weil gegen den Sturmtrupp vom Plessel hättest ansonsten eh ka Chance   …»
    Natürlich, hat der Lemming gedacht, natürlich, die berüchtigte Leibwache des Herrn Bezirksvorsteheraspiranten. Man kennt sie aus der Presse, aus dem Fernsehen: Ohne diese jungen Männer mit den Bomberjacken macht Otto Plessel keinen Schritt außer Haus; sie gehören zu ihm wie die Federnzum Pfau, dienen sie doch weniger dem Schutz ihres Herrn als vielmehr seiner Zierde: Viel Feind, viel Ehr, heißt es schließlich so schön. Und abgesehen davon: Wem raue Gesellen dieses Kalibers gehorchen, der muss schon eine rechte Führernatur sein   … In Österreich hat diese rührige Art des Hochstatusspiels eine große Tradition, in manchen Kreisen jedenfalls. Wenn es auch eine Zeit lang verpönt war, sich auf der politischen Bühne mit kahl geschorenen Kampftrupps zu schmücken, so ist diese Mode seit den späten Achtzigern wieder salonfähig geworden.
    Eines allerdings hat der Lemming in diesem Zusammenhang nicht ganz verstanden. Wenn der Vergaser schon über eigene Stoßdämpfer verfügt, warum hat er dann ausgerechnet den flinken Finger und den Schmierer mit der Jagd nach Pokorny beauftragt?
    «Sag, wieso ist er eigentlich zu euch gekommen, der Plessel? Wieso hat der nicht seine Buberln auf den Pokorny gehetzt?»
    Da hat sich Walla in den Sitz zurückgelehnt und breit und zufrieden gegrinst.
    «Ganz einfach, Wallisch: Spezialauftrag, verstehst? Für so heikle Sachen brauchst halt Leut, die ihr Handwerk verstehen, Burschen wie den Schurli und mich. Weil ohne Fingerspitzengefühl geht da gar nix   …»
     
    Bordeauxrote Samthocker. Filigrane, strassverzierte Stehlampen, deren warmes Licht von zahllosen goldenen Spiegeln mehr verschluckt als reflektiert wird. Klein ist alles in der Bar des
Orchidee
, beinahe puppenhaft klein – ein Eindruck, der auch von den handlichen Statuetten herrühren mag, die zwanglos über den Raum verteilt sind: vorwiegend winzige Frauen in dekorativen Posen, hier und da auch ein eng umschlungenes Pärchen, blumenumrankt, aber nackt. Ein dicker Teppich schluckt das Klirren der Gläser und Flaschen:Man könnte fast meinen, der Tag, das Leben, die Zeit seien zum Stillstand gekommen.
    In der Ecke, abseits, sitzt der Lemming und nippt an seinem Bier. An der niedrigen Marmortheke tun es ihm der flinke Finger und der Schmierer gleich. Man kennt einander nicht, so lautet die Abmachung. Wenn man seinen Auftraggeber schon verrät, dann soll er es nach Möglichkeit nicht mitbekommen   …
    Kein Otto Plessel. Dafür wetzt rechts neben Walla einer von dessen Beschützern den Barhocker ab, kaut nervös an seiner Unterlippe und wippt mit den Spitzen seiner Springerstiefel. Es ist schon fast wieder

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