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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Schmäh anstatt Moschee!
    Mir san mir!
    Otto Plessel vor der Karmeliterkirche. Sein Lächeln ist diesmal etwas dezenter, ja fast schon bigott. Er hält eine brennende Taufkerze in der rechten Hand.
    In Österreich sind derlei Parolen schon lange ein probates Mittel, um aus den tiefsten Niederungen, aus den braunsten Furchen der politischen Landschaft Wählerstimmen zu kratzen. Wenn es einer versteht, sie mit einer Prise Frömmelei und rustikaler Gemütlichkeit zu würzen, ist seine Karriere fast schon vorprogrammiert. Noch bewirbt sich Plessel zwar nur um den Posten eines Bezirksvorstehers, aber wer weiß? In zwei, drei Jahren schafft er vielleicht schon den Sprung in die Landes-, wenn nicht gar in die Bundespolitik. Seine kleine Wiener Wahlkampagne ließe sich ja ohne Schwierigkeiten an die Bundesländer adaptieren:
    Trachtenjacken statt Kanaken!
    Mir san mir!
     
    «Was um alles in der Welt will jetzt auch noch der Plessel vom Pokorny?»
    Diese Sache, denkt der Lemming, wächst mir endgültig über den Kopf. Ganz Wien scheint sich an die Fersen Josef Pokornys geheftet zu haben: ein Nachtwächter, zwei Rotlichtritter, ein Wirtschaftsmagnat und nun auch noch der Politiker Plessel, die frisch gebackene Galionsfigur des xenophoben und primitiven Wiener Kleinstbürgertums   …
    Franz Walla zuckt mit den Achseln.
    «Keine Ahnung», sagt er, «aber zahlen tut er gut   … Nein, zahlen
tät
er gut, wenn wir ihm das Vogerl bringen täten, das entflogene   …»
    «Okay   … Okay. Ihr seids also zum Plessel und habts ihm gesagt, dass euch der Pokorny durch die Lappen gegangen ist. Und dann?»
    «Net ganz. Er is zu uns ’kommen, der Herr Kapazunder. Ang’fressen war er. G’schimpft hat er wie a Rohrspatz. Dasswir’s verschissen haben und so weiter. Dann hat er herumtelefoniert, ganz auf wichtig, und am End hat er g’meint, wir sollen uns am nächsten Tag wieder bereithalten. Am Sonntagvormittag hat er dann g’sagt, wir sollen am Montag oben in der Strudlhofgassen warten, bis um halb zehn einer in das Haus mit den steinernen Schwarzeneggers hineingeht. Und an dem sollen wir dann dranbleiben, der wird uns zum Pokorny führen   … Na, wir haben g’schaut, wie wir g’sehen haben, dass du unser Führer bist   …»
    «Also habts ihr beschlossen, euch im Auto zu verschanzen und mir im Schritttempo nachzufahren. Um dann die Leute, mit denen ich red, gleich noch einmal zu befragen   …»
    «Können vor Lachen!» Pekarek wirft die Arme hoch und macht ein grimmiges Gesicht. «Der nächste Schas war ja, dass unser depperter Kübel net ang’sprungen is! Wir haben dann in der Heiligenstädterstraßen auf dich g’wartet, weil wir uns ’dacht haben, du wirst als Erstes zur Wohnung vom Pokorny gehen   … Net blöd, was?»
    «Sehr gerissen. Gut gemacht», bekräftigt der Lemming. Und er malt sich – kurz und schaudernd – aus, was die zwei wohl angestellt hätten, wären sie ihm schon zum Narrenturm gefolgt. Aber höchstwahrscheinlich, so resümiert er, hätte sich auch Professor Bernatzky gegen die beiden zu helfen gewusst – wenn auch mit anderen Mitteln als Herrmann Riedmüller   …
    In Windeseile versucht er nun, sich den exakten zeitlichen Ablauf der Ereignisse ins Gedächtnis zu rufen. Und er stellt mit einer Mischung aus Genugtuung und Erstaunen fest, dass alles zusammenpasst: Am Samstagmittag haben Walla und Pekarek Josef Pokorny aus seiner Wohnung vertrieben; kurze Zeit später hat Pokorny, bereits auf der Flucht, an der Tür des Lemming geläutet und ihn darum gebeten, seinen Nachtdienst zu übernehmen. Am Sonntagmorgen dann das Telefonat mit Stropek: der Auftrag, um halb zehn in JochenHörtnagls Maisonette zu kommen. Wenig später die Weisung Plessels an Walla und Pekarek, vor Hörtnagls Haus auf den Lemming zu warten. Ungeklärt bleibt die Frage, woher Otto Plessel von diesem Termin wusste, ungeklärt aber vor allem, wem denn nun der arme Vogel zum Opfer gefallen ist, der Pinguin, mit dem alles begonnen hat   …
    «Sagts einmal   … Habts ihr da nicht vielleicht eine Kleinigkeit vergessen?»
    «Jetzt   … Jetzt hörst mir aber auf!» Franz Walla ballt die Fäuste und schnappt nach Luft. «Was willst denn? Hast uns eh schon aus’zogen bis auf die Gatehosen; magst jetzt a Blutspende auch noch dazu?»
    «Samstagnacht, sag ich nur. Was habts ihr zwei am Samstag in der Nacht gemacht?»
    Walla dreht sich zu Pekarek. Pekarek dreht sich zu Walla. Verständnisloses Kopfschütteln.
    «Na, was glaubst?»,

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