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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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der Blühende, Prächtige   … Aber Blumen   …»
    «…   hat’s auf der Arche Noah nicht gegeben», vollendet der Lemming den Satz. «Beziehungsweise auf der Arche des Pinguin   …»
    «Das weißt du also auch schon   … Na, ob das nicht doch eines Tages was wird mit deinem Nobelpreis   … Ja, unsere kleine kakophonische Combo:
Pen Gwyns Arch
. Angeblich kommt der Begriff aus dem Keltischen, wo’s seltsamerweise
Weißer Kopf
bedeutet   … Der Name war nicht einmal meine Idee; die vier haben mich immer so gerufen, wegen meiner   … Na ja, wegen meiner Affinität zu den Viecherln   …»
    «Und zu ihrem Noah haben sie dich auch gleich ernannt.»
    «Gewissermaßen   … Verstehst du, Wallisch, man kann sich’s nicht aussuchen, wer einem die Ehre erweist. Ich meine,schau mich doch an: ein zerlumpter, verschrobener Kauz, der nichts ist und nichts hat. Zum Nachtwächter hab ich’s gebracht, mit dreiundfünfzig. Und meine größten Besitztümer sind meine Jahreskarte für die Straßenbahn und die goldene Ader in meinem Arsch. Stellst du dir so einen Helden vor? Und trotzdem   … Je kälter die Welt ist, desto enger drängen sich die Leut um den Kamin. Und je leerer und seichter das Leben ist, desto verbissener suchen sie nach dem neuen Messias. Nach einem Retter, der sie vor dieser alles verheerenden Sintflut an Dummheit, Gemeinheit und Gier bewahrt. Der ihnen irgendeinen Sinn schenkt, irgendeine Perspektive jenseits der Habsucht   …»
    «Diogenes hat auch in einem Fass gelebt   …»
    Pokorny lacht auf.
    «Wallisch, du alter Zyniker! Aber   … Es stimmt schon, die Löwin hat auch einmal so was gesagt   … Und zugegeben, da ist mir schon ein bisserl der Kamm geschwollen. Ich hab’s genossen, ja. Und ich hab, so gut ich konnte, versucht, den vieren das zu sein, was sie in mir gesehen haben: ein Mentor. Eine Art   … geistiger Führer. Was haben wir nicht geredet, nächtelang, über die Lust an der Kunst und der Neugier. Über Mystik und Magie, Kabbalistik, Alchimie und Zen-Buddhismus. Über das Wagnis, dem Leben mehr zu entreißen als Wagenparks, Villen und Aktien. Ich bin in die Rolle hineingewachsen, die sie mir auf den Leib geschrieben haben, ja, obwohl mir eines klar war: Sie haben mir den Heiligenschein nur deshalb aufgesetzt, weil ich das Gegenteil von dem repräsentiert hab, was ihre Eltern und Lehrer für sie wollten, den Gegenpol zu allem, was heutzutag als vorbildhaft gilt   … Mein Nimbus, Wallisch, war in gewisser Weise auch   … das Kind meiner Erfolglosigkeit.»
    Der Lemming wiegt zweifelnd den Kopf hin und her. «Da hätten s’ genauso gut mich anbeten können, die vier: Prophet Poldi Wallisch, der Totengräber jeder Karriereleiter   …»
    «Wahrscheinlich, Poldi, wahrscheinlich   … Wenn du zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen wärst und wenn sie dich als verhinderten Künstler gesehen hätten   … So haben sie sich halt für mich entschieden, für Pinguin Pepi Pokorny   …»
    Der Lemming verbeißt sich ein Schmunzeln: Noch ist er nicht bereit für diese Art der Verbrüderung. Stattdessen verschränkt er die Arme vor der Brust und lehnt sich zurück, ohne den Blick von Pokorny zu wenden: kriminalpolizeilicher Lehrgang, Abschnitt vier, Vernehmungstechnik   …
    «Gut. Meinetwegen. Aber der Moses ist auch nicht mit dem Goldenen Kalb durch die Gegend gelaufen. Also noch einmal: Wie kommst du zu diesem   … Ding?»
    Wieder reibt sich Pokorny die Nase. Vielleicht, denkt der Lemming, ist sie deshalb so rot. Vor Verlegenheit   …
    «Schau   … Nicht, dass du jetzt glaubst, ich hab was mit dem Diebstahl zu tun. Ehrlich nicht: Von den Aktionen der vier hab ich immer im Nachhinein erfahren; sie haben mir ihre Streiche erst dann zu Füßen gelegt, wenn sie gelungen waren. Stolz. Wie eine Jagdbeute. Nur die Sache mit den heiligen Hühnern hab ich persönlich miterlebt, als einer von vielen Zuschauern, genauso ahnungslos wie der Rest des Publikums   … Dass mir die vier die Saliera-G’schicht überhaupt erzählt haben, liegt nur daran, dass sie so gründlich danebengegangen ist   …
    Ein Scherz! Das war der größte Kunstdiebstahl der zweiten Republik. Verstehst du, eine Eulenspiegelei! Der Plan war folgender: Sie wollten ein, zwei Wochen verstreichen lassen und dann genau das tun, was der Floh ursprünglich vorgeschlagen hat: das Salzfass auf die Bühne des Akademietheaters stellen, kurz vor Beginn der Aufführung, am besten vor einer Premiere. Es wär schon

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