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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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in ein paar Jahren unter die Nase reiben.«
    »Woher weißt du denn das alles?«
    »Indem ich Zeitung lese und den richtigen Leuten zuhöre. Das ist die Kunst effektiver Kontaktpflege. Und wenn du wüsstest, welche traurige Rolle der Vatikan in diesen Angelegenheiten spielt …«
    »Und wann studierst du die geistliche Auswirkung der Sakramente auf die Seele oder die Gnadendoktrin?«
    »Das, was ich treibe, sind ebenfalls Studien, mein lieber Fèlix. Ich bereite mich darauf vor, ein guter Diener der Kirche zu sein. Die Kirche braucht Theologen, Politiker und sogar den einen oder anderen Schwärmer wie dich, der die Welt durch eine Lupe betrachtet. Und was bedrückt dich so?«
    Schweigend und mit gesenkten Köpfen legten sie ein Stück Weg zurück, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Plötzlich blieb Morlin wie angewurzelt stehen und rief: »O nein!!«
    »Was?«
    »Jetzt weiß ich, was mit dir los ist! Ich weiß, was dich so bedrückt!«
    »Ach ja?«
    »Du bist verliebt.«
    Fèlix Ardèvol i Guiteres, Student an der Pontifica Università Gregoriana im vierten Jahr, der die ersten beiden Kurseseines höchst erfolgreichen Studienaufenthalts in Rom mit besonderer Auszeichnung bestanden hatte, klappte den Mund auf, um zu protestieren, und klappte ihn wieder zu. Er sah sich selbst am Ostermontag, am Ende der Ferien, müßig durch die Stadt schlendern, nachdem er fertig war mit seiner Arbeit über Giambattista Vicos Verum et factum reciprocantur seu convertuntur und die Unmöglichkeit, die Totalität zu begreifen – wohingegen Félix Morlin, der Anti-Vico, alles zu begreifen schien –, als er sie auf der Piazza di Pietra zum dritten Mal sah. Hinreißend. Zwischen ihnen an die dreißig Tauben. Er ging auf sie zu, und sie, mit einem Päckchen in der Hand, lächelte ihn genau in dem Augenblick an, in dem die Welt strahlender, reiner, weiter wurde. Und er kam zu dem logischen Schluss: Die Schönheit, so viel Schönheit, kann kein Teufelswerk sein. Die Schönheit ist göttlich, und dieses engelsgleiche Lächeln ist … nun ja: eben engelsgleich. Und dann fiel ihm ihre zweite Begegnung ein, als Carolina ihrem Vater geholfen hatte, den Karren vor dem Geschäft zu entladen. Sollte dieser zarte Rücken etwa die groben, randvoll mit Äpfeln bepackten Holzkisten schleppen müssen? Das konnte er nicht zulassen. Er packte mit an, und so luden die beiden schweigend drei Kisten ab, spöttisch beäugt vom Maultier, das Stroh aus einem Futtersack fraß. Fèlix verlor sich in der Betrachtung der endlosen Landschaft ihrer Augen, damit sein Blick nicht zu ihrem Busenansatz herunterglitt, und in Saverio Amatos Laden herrschte Stille, weil niemand wusste, was zu tun sei, wenn ein prete , ein cappellano , ein Seminarschüler sich die Ärmel der heiligen Soutane aufkrempelte, Lastenträger spielte und die Tochter mit diesem dunklen Blick ansah. Drei Kisten Äpfel, eine wahre Gottesgabe in diesen Kriegszeiten, drei köstliche Augenblicke an der Seite dieser Schönheit; dann sah er sich um, stellte fest, dass er in Signor Amatos Laden stand, sagte Buona Sera und ging davon, wobei er es nicht wagte, noch einen Blick auf sie zu werfen, und ihre Mutter kam ihm hinterher und drückte ihm, ob er wollte oder nicht, zwei rote Äpfel in die Hand, und er errötete, weil er sich vorstellte, es wären Carolinas bezaubernde Brüste. Oder er dachte an ihre erste Begegnung, Carolina, Carolina, Carolina, der schönste Name der Welt, ein noch namenloses Mädchen, das vor ihm herging, im selben Augenblick umknickte und einen Schmerzensschrei ausstieß, das arme Kind, und zusammensackte. Bei ihm war Drago Gradnik, der in den zwei Jahren seit seinem Eintritt in die Theologische Fakultät noch eine halbe Handbreit an Höhe und sechs oder sieben Pfund Fleisch zugelegt hatte und in den letzten drei Tagen an nichts anderes denken konnte als an die ontologische Argumentation des heiligen Anselm, als gäbe es keinen anderen Gottesbeweis auf der Welt, wie zum Beispiel die Schönheit dieses wunderbaren Geschöpfs. Drago Gradnik hatte keinen Blick für den verstauchten Knöchel, der sicher fürchterlich schmerzte, und Fèlix Ardèvol fasste sachte das Bein der schönen Adalaisa, Beatrice, Laura und half ihr, es vorsichtig auf dem Boden abzulegen, und die Berührung war wie ein elektrischer Schlag, stärker als die Lichtbögen auf der Weltausstellung, und während er fragte, tut es weh, Signorina?, wäre er am liebsten über sie hergefallen, um sie hier und jetzt zu

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