Das Schweigen
ließ
nach.
Er stellte den Wagen unter der Überdachung ab,
nahm die neuere seiner beiden Schaufeln und schippte
den Schnee aus der Einfahrt.
Er grüßte laut vernehmlich das Ehepaar, das im
Nachbarhaus wohnte und an ihm vorbei spazierte. Die
beiden wirkten überrascht, vermutlich weil Ketola
manchmal vergaß zu grüßen. Die Tochter des Ehepaars
war Ketolas Einschätzung nach etwa im gleichen Alter
wie das ermordete Mädchen damals.
Ketola stellte nach getaner Arbeit die Schaufel zurück
an ihren Platz und ging zum Haus. Schloss die Tür auf,
klopfte die Schuhe ab und trat ein. Er ging gleich in die
Küche und kochte Kaffee, den er mit einem Schuss
Kognak mischte.
Dann setzte er sich auf das Sofa im Wohnzimmer,
schaltete den Fernseher ein, stellte die Tasse auf dem
Tisch ab und begann, zum ersten Mal seit recht langer
Zeit und begleitet von einem Gefühl ausgesprochener
Erleichterung, zu weinen.
8. JUNI
I
Timo Korvensuo spürte die Abendsonne, die warm und
weit über ihm ruhte.
Er beschleunigte seine Schritte, nahm die drei Holz-
stufen zur Eingangstür mit einem Schritt und warf der
Frau noch ein Lächeln zu, bevor er öffnete.
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie es mögen«, sagte
er und ließ dann den Effekt wirken.
Die Frau hielt auf der Schwelle stehend inne, denn sie
sah schon von hier aus durch die Wohnzimmerfenster
die Sonne über dem See, und Timo Korvensuo wusste,
dass sie in diesen Wochen, bei diesem Wetter und um
diese Zeit immer in diesem ungewöhnlichen Winkel
stand, von dem aus sie den See in ein fast unwirklich
schönes Licht tauchte.
Er hatte das Haus bislang acht Interessenten gezeigt,
und obwohl noch keiner sich zum Kauf entschlossen
hatte, hatte dieses Bild seine Wirkung nie verfehlt. Kor-
vensuo stand neben der staunenden Frau und dachte,
dass er dieses Haus mochte, und dass er es trotz der bau-
lichen Mängel vielleicht selbst gerne gekauft hätte, wenn
er nicht, zufälligerweise genau an diesem See, nur wenige
Minuten entfernt, bereits ein Wochenendhaus besessen
hätte. Nachher, nach Beendigung dieses letzten Termins
an diesem Tag, würde er ganz gemächlich hinüber
fahren und noch ein wenig Zeit für sich haben, bevor
Marjatta, die Kinder und die Gäste ankommen würden.
Vielleicht hätte er noch Zeit für einen Saunagang und
einen Sprung ins Wasser.
»Wollen wir uns das Innenleben dieses Schmuck-
stücks ansehen?« fragte er die Frau.
»Gerne«, sagte die Frau. »Ich glaube, es gefällt mir
wirklich.«
Korvensuo nickte und führte sie durch die Räume, die
er wie immer gereinigt und so hergerichtet hatte, dass
sie dem Betrachter gefallen mussten.
Er verschwieg nie etwas, auch diese Interessentin
klärte er während der Führung über jeden einzelnen
Mangel auf, den dieses Haus aufwies, aber er achtete
gleichzeitig darauf, dass sich die Objekte, die er zum
Kauf anbot, von ihrer besten Seite zeigten. Und wenn
die Besitzer selbst nicht in der Lage waren, dafür zu sor-
gen, legte er eben selbst ein wenig Hand an. Bislang
hatte sich kein Besitzer darüber beschwert.
»Es ist ... ansprechend, trotz der Mängel. Ich werde
darüber nachdenken«, sagte die Frau am Ende, und
Korvensuo nickte.
Sie gaben sich die Hand, und Korvensuo wartete, bis
die Frau in ihren Wagen gestiegen und losgefahren war,
bevor er selbst einstieg. Er war zufrieden. Er betrachtete noch eine Weile das Haus im Abendrot, das bald einen
neuen Besitzer finden würde.
Dann startete er den Wagen und fuhr auf die andere
Seite des Sees zu seinem Anwesen. Wie er gehofft hatte,
blieb ihm noch ein wenig Zeit, bevor hier der Lärm
losbrechen würde. Die Kinder würden bester Laune
sein, denn heute hatten die großen Sommerferien
begonnen.
Er freute sich auf das gemeinsame Wochenende, das
erste seit längerer Zeit, er war in den vergangenen Wo-
chen viel unterwegs gewesen. Aber an den Vortagen
hatte er endlich zwei Objekte an den Mann gebracht, die
ihm langsam zur Last geworden waren, und jetzt fühlte
er sich befreit und beschloss, gar nicht erst ins Haus zu
gehen und auch nicht in die Sauna, sondern sofort in
den See zu springen.
Er stieg aus dem Wagen und lief hinunter zum Steg.
Er streifte die Kleider ab, legte alles so zusammen, dass
es ein Rechteck ergab, stellte die Schuhe im rechten
Winkel daneben, legte die Uhr in den linken und dann
doch in den rechten Schuh, und sprang ins Wasser. Er
ließ sich bis auf den Grund hinabsinken,
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