Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
Vom Netzwerk:
Das Schwein stand fest auf dem Boden, den Kopf leicht erhoben, die Ohren zurückgelegt. Es stierte auf den Braten, der bereits seiner Schinken beraubt war. Einer der Tyson-Brüder verabreichte ihm einen Klaps aufs Hinterteil, verärgert, dass es mit dem Spaß vorbei war, aber das Schwein ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, stand wie gebannt da, ohne auch nur zu blinzeln oder mit dem Schwanz zu wackeln oder mit den Ohren zu zucken.
    Noch ein paar vereinzelte Rufe, ein Händeklatschen, ein schwaches »Suuii« – alles vergebliche Liebesmüh. DieJagd war vorüber. Das Schwein spielte einfach nicht mit – war nur auf den Anblick vor ihm fixiert. Es hob den Kopf noch etwas höher, gab ein paar harmlose Grunzer von sich, schnupperte den Geruch von dem gebratenen Fleisch seines Artgenossen. Man versuchte es mit einem weiteren Klaps. Das Schwein blieb ungerührt. Das Festgelage drohte zu einer Enttäuschung großen Ausmaßes zu werden, waren doch die Teilnehmer alle miteinander sauer, dass aus dem Spiel, in das sie sich mit Vehemenz gestürzt hatten, nichts geworden war. Ihre Leidenschaft zum Durcheinander, ihr angeborener Hang zum Chaos blieben unerfüllt – und alles nur, weil das Schwein nicht mitmachen wollte. Unmut verbreitete sich, erste Drohungen gegen das Tier wurden laut. Nicht lange, und die Feststimmung würde in verdrießliche Unzufriedenheit umschlagen, was weit schlimmer war als das Debakel beim Auftauchen des Schweins. In zukünftigen Chroniken über die heutige Zeit würde man über einen Tag enttäuschter Erwartungen, zunichte gemachter Hoffnungen lesen; ein Tag, an dem aus versprochener Anarchie nichts wurde.
    Kitty wusste, dass die bloße Aufforderung, sich wieder den vorangegangen Vergnügungen zu widmen, nichts bringen würde. Selbst wenn sie Tullamore Dew eimerweise ausschenkte, würde das nur noch lauteres Schimpfen provozieren. Schon war sie versucht, für den weiteren Verlauf des Abends Höhepunkte in Aussicht zu stellen – ohne sich dabei irgendwie festzulegen –, hielt es dann aber doch für besser, es nicht zu Spekulationen kommen zu lassen, geschweige denn zu Fragen, die sie auf jeden Fall verhindern musste.
    Jetzt ertönte die Trommel, bald darauf auch die Flöte, und schließlich stimmten die Fiedeln mit ein. Sie spielten
I Know What Mary Wants
, eine Polka, und von Aaron und Lolly angeführt, strömten die Paare wieder auf die Tanzfläche,um sich beim Klatschen und Springen zu amüsieren. Nach anfangs noch zögerndem Spiel wurde die Musik kräftiger, fast war es, als hüpften auch die Töne fröhlich in die Höhe. Einer der Tysons – Tim, oder war es Ted? – begann zu singen, ein Tenor, rein und klar wie das Wasser eines Gebirgsstroms. Andere fielen ein, und ein vielstimmiger Gesang erfüllte die Luft. Erneut wurde dem Tullamore Dew kräftig zugesprochen, und auch die Brennnesselsuppe wurde ausgeschenkt. Sean O’Sullivan fuhr fort, Geschichten zu erzählen, und schon bald scharten sich mehr Zuhörer als zuvor um ihn.
    Peter war der Erste, der das immer noch wie angewurzelt dastehende Schwein nicht weiter beachtete. Er war gerade erst hinzugekommen, so dass ihm das bisherige Geschehen, das den Tag zu etwas Besonderem machte, entgangen war. Er hielt Kieran eine dicke Scheibe von dem goldbraun gebackenen Brot hin, der ihm ein saftiges Stück Fleisch darauf packte und im Bemühen, seine anfängliche Fröhlichkeit zurückzugewinnen, die spaßige Bemerkung fallen ließ: »Sag selbst, ob du jemals was Besseres gekostet hast, und ich erschlage mich auf der Stelle.« Der Junge freute sich über den Witz seines Gastgebers und meinte kichernd: »Das können Sie getrost bleiben lassen.«
    Kieran lachte herzhaft, die Schlagfertigkeit des Jungen gefiel ihm. Peter biss ungeniert zu – ein Happen, der die Kapazität seiner Mundhöhle überforderte –, kaute und kämpfte mit dem aus dem Mund quellenden Fleisch und murmelte befriedigt, was Kieran als ehrliche Anerkennung deutete. Trotzdem musste er sich noch einmal vergewissern. »Gut, was?«
    »So was Tolles hab ich noch nie gegessen.«
    Kieran nickte wohlgefällig, der Junge grinste zurück und stopfte sich das restliche Fleisch in die Backen. Dann erweckte der
seanchaí
sein Interesse, und er schob ab,um zu hören, welche Geschichte gerade erzählt wurde. Kieran hatte sich ein Stück von dem frischgebrutzelten Fleisch zwischen zwei Scheiben seines köstlichen Brotes geklatscht und begann genüsslich zu kauen, mit einer Hingabe, die sein Lob auf

Weitere Kostenlose Bücher