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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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die Hilfe gedankt, die ihnen ihr Sohn Peter vorher am Abend bei der Arbeit mit dem Spieß erwiesen hatte, wo er das Feuer nicht ausgehen ließ und so dafür Sorge trug, dass das Schwein zum richtigen Zeitpunkt, wenn die Gäste kamen, durchgebraten war. Kittys innere Nöte erfuhren zusätzliche Nahrung, als die Seherin immer wieder nervös in die Ferne blickte – Richtung Burg. Die Nachmittagssonne übte sich wie gewohnt in ihrer Alchemie, tauchte die geschwärzten Steine der Burgmauern in ein rostfarbenes Gold. So sehr der Anblick Kitty auch fesselte, so sorgte er doch in ihrem Innern für unsägliche Pein.
    Auch Maude hatte die verwandelte Schönheit der Burg bemerkt, zwar wirkte ihr Blick gelassen und gleichgültig, doch ließ sie die von der Sonne enthüllte Pracht nicht unberührt. Kitty enthielt sich jeden Kommentars und beschloss, keinerlei Fragen zu stellen. Nicht, dass sie die Gedanken der Seherin und ihre eventuellen Erleuchtungen kaltgelassen hätten. Im Gegenteil: Gar zu gern hätte sie etwas darüber gewusst; doch gleichzeitig setzte sie alles daran, nicht mitgeteilt zu bekommen, was für sie längst feststand – dass die Burg, noch ehe das Fest zu Ende war, in die Luft gehen würde.
    Ob die Seherin sie durchschaute oder nicht, konnteKitty nicht sagen. Aber irgendetwas wusste die Frau, nur zog es Kitty diesmal vor, nichts davon zu erfahren. Auf keinen Fall durften die Dinge ausgesprochen werden. Niemand, auch Kitty nicht, durfte klar und deutlich vernehmen, dass unmittelbar bevorstehende Zerstörung und Befreiung die Erde erschüttern und beben lassen, die Luft mit Ascheregen erfüllen würden, dass der Himmel erglänzen würde, als wäre die Sonne in einer letzten Zurschaustellung von Macht und Majestät geborsten.
    Nur mit größter und kaum zu ertragender Anstrengung konnte Kitty es sich verkneifen, alle Einzelheiten ihres zusammengebastelten Sprengkörpers noch einmal durchzugehen – all die Feinheiten, den Standort, die ausgeklügelten winzigen Details, die für die exakte Ausführung des Plans entscheidend waren. Die Seherin, fürchtete Kitty, würde ihre Gedanken erraten, hatte es wahrscheinlich schon getan. Immerhin hatte sie bisher keine Bemerkungen zur Burg oder zu dem, was ihr bevorstand, gemacht, auch nicht zu Kittys Mitwirken an dem ihr beschiedenen Geschick. Nur gut, dass es Kitty, wie sie glaubte, gelungen war, alle Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen, die mit dem zu tun hatten, was sich bald ereignen und die Festversammlung ungeheuer beeindrucken würde.
    Doch angesichts der in goldenes Licht getauchten Mauern, die sich auf dem Hügel erhoben, spürte sie ein Wanken, das sich selbst verordnete Verbot einzuhalten, keine Gedanken mehr an die Burg zu verschwenden. Der Glanz vor ihren Augen unterminierte ihren Entschluss. Wie konnte sie es geschehen lassen, dass diese Pracht vernichtet wurde? Immer wieder hatte sie sich diese Frage gestellt, hatte ihre Überlegungen, ihre Beweggründe auf Herz und Nieren geprüft und hatte für sich das Tatmotiv gefunden. Sie musste Taddy freigeben. Sie liebte ihn. Dass er nicht aus Fleisch und Blut war, keinen Körper hatte, den sieberühren konnte, hatte schon lange keine Rolle mehr gespielt. Dass es ihr nach ihm verlangte, war ihr genug.
    Es ging ihr nicht darum, sich selbst von diesem Wahnsinn zu befreien, wenn sie die Burg opferte. Kitty hatte andere Gründe, sie durfte sich nicht länger in den Anblick des Eckturms und der durch die Abendsonne verwandelten Zinnen versenken. Sie musste es unterlassen –
sofort
. Die Seherin durfte nicht zu viel erfahren. Und Kitty oblag es, eine Gedankenübertragung ihrer wahren und unumstößlichen Tatmotive zu vermeiden. Kein Nachsinnen in Gegenwart der Seherin!
    Wie um es sich selbst zu beweisen, drehte sie sich um und schaute in die versammelte Menge. Sie würde Maude um Verständnis bitten, dass es ihr die Pflicht gebot, sich um möglichst viele Gäste zu kümmern. Ohnehin schien Maude, die jetzt ebenfalls auf das bunte Treiben blickte, gewillt, sich anderen Dingen und Betrachtungen zuzuwenden. Nur trug es nicht gerade zu Kittys Konzentration auf die Gästeschar bei, als sie Maude sagen hörte: »Du darfst deine anderen Gäste nicht vernachlässigen, so sehr ich auch deine Gesellschaft schätze. Es ist wirklich ausgesprochen nett mit dir.«
    »Zu gütig«, sagte Kitty mit eisigem Lächeln. Das Weib kannte jeden einzelnen Gedanken, der ihr durch den Kopf ging. Maude wusste von Kittys Vorhaben. Was sie mit dem

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