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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Wissen anfangen würde, war ungewiss. Vielleicht sollte Kitty sie geradeheraus fragen: Weißt du, was passieren wird? Und gleich darauf, nicht ohne Bange: Weißt du auch, weshalb? Doch besser, sie beruhigte ihr Gewissen und redete sich ein, dass die Seherin nichts wusste, dass der größte ihrer geheimen Gedanken – geboren als Antwort auf die größte ihrer geheimen Nöte – für andere nach wie vor ein Geheimnis war und auch für immer bleiben würde.
    Gedanken konnten genauso gefährlich wie Worte sein. Unausgesprochen konnten sie von einer Person zur anderen wandern. Die Fähigkeit der Hexe war nichts weiter als die Intensivierung eines bekannten Phänomens; durch irgendeine Eigenart der Synapsen konnte ein Impuls von einem bisher unerklärlichen Spannungszustand ausgehen und von einem Schädel zum anderen springen – ein freigesetzter Gedanke, darauf aus, weitere Verbindungen einzugehen, eine Art Paarung –; und das Ganze geschah ohne das Wissen oder die Einwilligung von Sender und Empfänger. Mit derart privilegiertem Wissen ausgerüstet, das im Kopf der Hexe herumspukte, konnte die versammelte Mannschaft leicht von Kittys geheimsten Herzensqualen und Plänen erfahren, ohne dass sie selbst etwas von ihnen hatte verlauten lassen. Vielleicht war die Gefahr nicht relevant, aber mit ihr rechnen musste man.
    Es gab kein Zurück. Allein durch ihr stummes Denken hatte Kitty ihren Gedanken Leben verliehen, und ob sie nun wuchsen und gediehen und sich in anderen Köpfen festsetzten, konnte sie nicht mehr beeinflussen. Was sie getan hatte, hatte sie getan; was sie tat, tat sie, und sie musste darauf gefasst sein, dafür bestraft zu werden.
    Die Musikanten – zwei Fiedeln, eine Flöte, eine Trommel und eine Gitarre – spielten auf, und man hatte mit dem Tanzen begonnen; vergnügt übten sich die Gäste in den von Generation zu Generation überlieferten Schritten, ein buntes Bild von ganz jungen Pärchen bis zu den Achtzigjährigen, von wahren Schönheiten bis zu ausgesprochen Hässlichen. Die Farbpalette der Haare reichte von schwarz bis weiß, dazwischen blond, braun, kupferrot, rötlich; sogar lila tauchte einmal auf. Auch mangelte es nicht an einer Vielfalt von Körperformen, jede so, wie sie Gott geschaffen. Der Tanz schrieb einen ständigen Partnerwechsel vor, so dass die weniger Attraktiven auchdie Hübschen schwenkten, die Dicken die Dünnen unterhakten, und alle miteinander fröhlich durch die Gegend stampften, um die Burg zu feiern. Die Tatsache, dass sie Kitty und Kieran erneut zugesprochen worden war, bewies – wenn es denn eines Beweises bedurfte –, dass das Städtchen und alle im Umland flexibel genug waren, Gewinn oder Verlust gleichermaßen als Anlass zum fröhlichen Beisammensein zu nehmen. Eine Taufe oder eine Beerdigung gaben das her, die Heimkehr eines Verwandten, der bevorstehende Abschied eines Sohns, der ins Ausland ging – immer würde man sich wie selbstverständlich zusammenfinden, vielleicht nicht unbedingt mit einem Schwein am Spieß, aber doch nie ohne Musikanten (selbst wenn es nur einer war), um schon nach den ersten zwei Takten das Blut in Wallung zu bringen und die zuckenden Füße tanzen zu lassen.
    Kitty, mit Tim Tyson, einem Buchhalter, am Arm, wirbelte und stampfte und klatschte ausgelassen zur Melodie von
Maggie in the Wood.
Tim war verbissen darauf bedacht, seine Kenntnis all der jahrhundertealten Schrittfolgen und Bewegungen vorzuführen; Kitty hingegen geriet mehr als einmal aus dem Takt, fing sich aber rasch wieder, so dass es nie zu einer ernsthaften Karambolage kam.
    Als Kitty sich entschied, den nächsten Tanz – eine Polka,
Bonnet Trimmed with Blue
– auszulassen, wurde Tim an Peg Fitzgerald weitergereicht, die schon ungeduldig auf den Partnerwechsel gewartet hatte, damit sie zeigen konnte, was ihre Füße vermochten, ehe die sich selbständig machten und am Rande der Tanzfläche von allein herumsprangen. Von da an musste Aaron, Kittys Neffe, den Ruf der McClouds als hervorragende Tänzer verteidigen, denn ein McCloud ließ sich keine Gelegenheit entgehen, egal worum es ging, seine Fähigkeiten und sein Können unter Beweis zu stellen.
    Lolly hatte Aaron zur Vorbereitung auf den Abend in die Schrittfolge der Kerry-Tänze eingeweiht, und er hatte sich als ungemein gelehriger Schüler erwiesen. Sie hatte schon eine schlummernde genetische Veranlagung in ihm vermutet und sich auch gefragt, ob ihr Mann ein weiterer Vertreter jener Dänen und Normannen war, die, kaum

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