Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
ruhig und unerschütterlich gab, immer mitfühlender und mitleidender wurde. Sie würde ganz gerührt sein. Sie würde ihn bewundern. Vor lauter Dankbarkeit würde ihm das die Kehle zuschnüren. Bald, aber nicht gleich.
Kitty machte eine Ecke auf dem Tisch frei und schuf sich Platz auf dem Herd, indem sie die Tapete auf die Erde fegte – sollte sie sich da aufrollen, wie sie wollte – und den Kleistertopf auf den hinteren Brenner stellte, damit sie so den vorderen benutzen konnte. Sie sprachen über Aarons Abenteuer mit den Schweinen, über das interessante Äußere der jungen Frau und über Mr. Sweeneys Hilfsbereitschaft. Sobald der Name fiel, hatte seine Tante gemeint: »Vielleicht hörst du mal auf zu reden und isst, was dir vorgesetzt wird.« Als seine erste Mahlzeit in Irland erhielt Aaron Spaghetti, wovon so viel gekocht wurde, dass es gut und gerne für sie beide reichte und auch noch für das Schwein. Von der Tomatensauce bekam es sogar den größten Teil. Das Schwein sollte sich auch noch an einer vollen Schachtel Cornflakes gütlich tun, einem fast vollen Glas Apfelmus und an den Resten eines Thunfischgerichts. (Eine Sellerieknolle und eine Rübe wurden ebenfalls in Betracht gezogen, dann aber zurückgestellt. Die Gerstensuppe und der Schokoladenpudding sollten für den nächsten Morgen aufgehoben werden, befand Tante Kitty.)
Das Futter wurde in einer Abwaschschüssel zu einem bekömmlichen Mischmasch vermengt. Kitty steckte einen Finger hinein und leckte ihn ab. »Soll niemand sagen, dassein Gast von einer McCloud hungrig bleibt.« Sie steckte noch mal einen Finger hinein und kostete, nickte, zufrieden mit dem, was sie bereitet hatte, und trug es hinaus zum Schwein.
Aaron erhielt einen Apfel zum Nachtisch, den er mit hoch auf sein Zimmer nehmen sollte, damit sie das Tapezieren zu Ende bringen konnte und er ihr nicht im Wege war. Dass sie ihn nicht zum Fernsehen aufgefordert hatte oder zu einem Drink im Wohnzimmer, wunderte ihn. Er hatte sich schon darauf eingestellt, das abzulehnen, hatte ihr sagen wollen, wie erschöpft er sei, hatte andeuten wollen, dass er jetzt dringend der Ruhe bedürfe, doch die Gelegenheit dazu bekam er gar nicht. Ganz wie in alten Tagen wurde er nach oben ins Bett gescheucht. Das war ihm recht, hatte er doch für einen Tag genug Aufregung gehabt.
Aaron hatte sich bei geöffnetem Fenster angezogen; der Wind vom Ozean, dem der Wiesentau und der noch draußen überm Meer hängende Nebel eine kühle Frische verliehen, sollte zunächst seinen Körper, dann seine Kleidung durchlüften. Er holte tief Luft, um seine Lungen mit Sehnsucht nach Weite und Stille zu füllen, doch ehe er noch ausatmen konnte, sah er das Schwein um die Hausecke traben, eigentlich benahm es sich mehr wie ein umhertollendes Lamm denn wie ein Schwein mit Hängebauch. Ohne Pause trottete es in die Wiese, schnüffelte umher, grub die Schnauze tief in den Rasen und wühlte die Grassoden auf.
Aaron atmete aus. Zweifelsohne hatte seine Tante das Schwein aus dem Schuppen gelassen. Doch seine Gegenwart und dass es nun Teil des so geruhsamen Bildes war, schien ein Affront gegen die trüben Gedanken zu sein, die er eben anfing in seinem Geist zu formen. Die schöne Strenge der Szene war gestört, war nicht mehr der perfekte Rahmen für das Drama, das er einzuüben gedachte. Das stetige Auf- und Abschwellen der Wogen wurde zum bloßen Hintergrundgeräuschdegradiert von dem Schnaufen und Schnüffeln, das Aaron so deutlich hörte, als wäre das Schwein hier bei ihm in der Schlafstube. Das Schwein war ein Störenfried, der sowohl Aarons empfindsames Gemüt beleidigte als die Szenerie überhaupt verdarb; es musste unverzüglich vertrieben werden.
Er zog die Stiefel mit den dicken Sohlen an, seine Timberlands, die wasserdicht sein sollten, denn er wollte damit die Strandwanderung beginnen. Diese Frau – Lolly oder wie sie hieß – musste kommen und das Tier sofort abholen. Aaron war sogar bereit, auf die Dankesbezeugung zu verzichten, die er gehofft hatte zu erhalten. Die Frau sollte sich mitsamt ihrem fröhlichen Wesen und dem Schwein auf und davon machen. Angesichts des eigensinnigen Schweins konnte er gut auf ihre Dankbarkeit verzichten, auf ihr überraschtes Lächeln, das übermütige Lachen. Den Handschlag, den sanften und doch kräftigen Griff ihrer Hand in seiner, das ungläubige Staunen, mit dem sie seine Schilderung der Verfolgungsjagd aufnehmen würde, das bewundernde Anerkennen seiner prächtig bewiesenen
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