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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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»Wie heißt sie?«
    »McKeever. Lolly McKeever.«
    Der Schatten seiner Tante schien zu erstarren, wenn man von einem Schatten überhaupt sagen kann, dass er erstarrt. Jedenfalls reckte er sich beachtlich in die Höhe, und die Frau war ohnehin größer, als er sie in Erinnerung hatte. (Aaron war ja selber tüchtig gewachsen, maß über eins achtzig, so dass er sich seine Tante im Verhältnis zu ihm kleiner vorgestellt hatte. Doch sie war keineswegs geschrumpft. Auch sie war gewachsen. Egal, da war nun dasSchwein, um das man sich kümmern musste.) »Lolly McKeevers Schwein ist das also«, stellte seine Tante fest. »Ist ja interessant. Lolly McKeever. Und du bringst mir ein Schwein ins Haus, das ihrs ist.«
    Aaron rückte mit seiner Geschichte heraus: die Sache mit dem Bus, den Schweinen, den Fahrgästen, wie er den Berg hinauf- und wieder heruntergerannt war, wie er zur Stadt hatte marschieren müssen und wie nett Mr. Sweeney zu ihm gewesen war. Bei diesem Namen verlängerte sich der Schatten seiner Tante um eine Handspanne. Sie beugte sich vor, als wollte sie über Aarons Schulter blicken. »Dann bist du das also?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Sweeney. »Und dass es hierhergeht, habe ich erst erfahren, nachdem ich das Schwein aufgeladen hatte. Und da bin ich nun, will es abliefern und mich gleich dünnemachen.«
    »Bring es in den Schuppen und pass auf, dass es nicht die Gerätschaften anfrisst.«
    Das Schwein wurde in den Schuppen gesperrt, und Aaron bot Sweeney einen Drink an für die Mühe, die er gehabt hatte. Doch bevor der Mann auch nur mit einer Handbewegung oder einem Kopfschütteln hätte ablehnen können, mischte sich seine Tante abrupt ein und verkündete, im Haus sei nichts Trinkbares. Ohne jedes Wort stieg Sweeney in seinen Transporter und fuhr an, wobei zwei Fehlzündungen knatterten. Das Schwein im Schuppen protestierte mit lautem Grunzen. Aaron stieg der Auspuffqualm in die Nase. »O Sweeney, halt die Fresse«, murmelte Tante Kitty.
    »Sweeney heißt doch der Mann, nicht das Schwein«, bemerkte Aaron.
    »Alle Schweine heißen Sweeney. Der Name stammt von den Römern.
Sus, suis
. Bei den Italienern wurde
suino
draus, und die Iren haben es verfeinert zu Sweeney. Schlimm genug, dass du so was nicht weißt. Nächstes Mal, wenn duden Mann siehst, kannst du ihm das beibringen. Und sag ihm auch, woher du es hast. Was ist, kommst du nun rein oder nicht?«
    Da Aaron keine andere Wahl blieb, konnte er nichts als »ja« sagen.
    Sie gingen durch die Seitentür direkt in die Küche, wo, abgesehen von den fünf Stühlen und dem wuchtigen Holztisch, Tapetenrollen, Kleistertöpfe und eine Leiter den meisten Platz beanspruchten. Jetzt erst konnte er seine Tante richtig sehen, und auch sie betrachtete ihn von oben bis unten. »Größer bist du nicht geworden?«, bemerkte sie als Erstes.
    »Bin immerhin über einen Meter achtzig.«
    »Möchte man nicht für möglich halten. Aber komm, drück mich mal richtig, und dann ist zwischen uns wieder alles wie früher, und die Jahre, die wir uns nicht gesehen haben, zählen nicht.«
    Aaron umarmte sie kräftig, empfand aber nicht so recht die alte Vertrautheit, die sie vorausgesagt hatte. Zumindest war der erste Schritt getan, und wenn er auch nicht gänzlich damit zufrieden war, so fühlte er sich doch ermutigt, die Familienbande weiterzuknüpfen. Nach der Umarmung trat er ein bisschen zurück und fand seinen ersten Eindruck bestätigt. Seine Tante war größer, als er erwartet hatte. Ihre Lippen waren immer noch ein wenig zu voll, ihr Mund war eine Spur zu groß, und die Augen, denen nichts entging, fanden das, was sie erblickten, wie eh und je gleichermaßen vergnüglich und verachtenswert. Die Sommersprossen auf den Wangenknochen und der Nase waren nicht verblasst, von der Stirn aber waren sie verschwunden. »Wir werden wie einst unseren Spaß miteinander haben«, sagte sie. »An mir soll’s nicht liegen.«
    Aaron fragte sich, ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt war, ihr die Wahrheit zu sagen – nämlich, dass er gekommen war, um sich in seinem Kummer zu ergehen. DieFalten auf der Stirn sollten sich vertiefen, ein Ausdruck der Trauer sollte sich in seinen Augen einnisten, der die unbedacht Fröhlichen für immer zum Schweigen brächte und die Gleichgültigen beschämte.
    Er beschloss, damit noch zu warten und seiner Tante erst später reinen Wein einzuschenken. Noch besser wäre, wenn sie es selber spürte und zögerlich Fragen stellte und bei jeder Antwort, die er

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