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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Überlegenheitsgefühl gestatte ihr, die Welt ihrer Vorbilder und die Geschicke der dort agierenden Personen mit einer Klarheit zu sehen, wie es nur von sehr erhöhtem und entferntem Standpunkt möglich sei, und den erreichten ihre Vorläufer offensichtlich nie, sie waren schlicht und ergreifendkeine Kitty McCloud. Sie täte allen nur einen Gefallen. Sie täte den Lesern einen Gefallen. Sie lade sich die Last all der Irrtümer auf und nehme die notwendigen Reparaturen vor. Allzu schwierig sei es nicht, gab sie zu. Die Fehler ihrer Vorgänger waren so himmelschreiend und sprangen derart ins Auge, dass es nur geringer Mühe bedurfte, unbesonnenes Handeln geradezurücken und die Herrschaft des gesunden Menschenverstands wiederherzustellen. Zugleich entstand so ein kräftiger Zuschlag zu Kittys Bankkonto. Nicht mit Zwiebeln und Kohlköpfen unterhielt sie ihren Landsitz, nicht mit Steckrüben und Rettichen sicherte sie sich den herrlichen Blick auf den westlichen Ozean. Ihre »Korrekturen« hatten das ihr zugefallene Erbe vermehrt, und damit hatte Aaron nun den Uferstreifen unten am Strand für sich, auf dem er bald seine Seelenqualen ausleben wollte.
    Obwohl ihm die Tapete zuwider war, konnte er doch nicht zur Tür hinausgehen, ohne einen Blick auf das Buch zu werfen, das neben dem Computer seiner Tante lag. Seite 276 war aufgeschlagen. Er hob den Band auf und schaute auf den Rücken.
Jane Eyre
las er. Behutsam legte er das Buch wieder hin, ohne die Seite zu verblättern. Das war also der Roman, den seine Tante gegenwärtig »korrigierte«, wie sie ihm unlängst geschrieben hatte. In Kittys Version würde sich Mr. Rochester, nicht etwa seine geistig umnachtete Frau, vom Turm stürzen; hatte ihn doch Janes Weigerung, sich in die von ihm vorgeschlagene Bigamie zu fügen, aufs tiefste erschüttert. Der Roman würde damit enden, dass Jane die Geisteskranke mit Güte und schwesterlicher Zuneigung heilte. Sie würden einander zugetane Freundinnen werden und würden ihre Erfüllung bei der Arbeit am Webstuhl finden und bei der – schon wieder dieses Wort – Viehzucht. Aaron schaute kurz auf den leeren Bildschirm des Computers, wünschte ihm Glück und Erfolg und ging hinaus.
    Es wunderte Aaron, dass das Zuschlagen der Fliegentür, das rasche Zuklappen, das dumpfe Zittern des mit Gaze bespannten Rahmens nicht Erinnerungen à la Proust an seine Sommertage heraufbeschwor, die er als Junge hier verbracht hatte. Warum überkamen ihn nicht Vorstellungen von Tagen mit hoch oben schwebenden Wolken, von Kaninchen und Muscheln und wurmstichigen Äpfeln, von Barfußlaufen und Kuhfladen und Disteln, von Gewitter mit Donnergrollen und zuckenden Blitzen, die immer wieder in die gepeinigte Brust des Ozeans einschlugen?
    Doch sogleich fiel ihm ein: In seinen Kindertagen hatte es noch keine Fliegentür gegeben. Diese zweckmäßige Vorrichtung aus Amerika hatte seine Tante in Irland eingeführt, nachdem sie vom Fordham-College in der Bronx heimgekehrt war und sich klargemacht hatte, dass es eigentlich keinen Grund gäbe, sich Fliegen in die Familienküche einzuladen. Aus Hochachtung vor dem neuerlich in Irland heimisch gewordenen Artefakt sprach sie stets von der Maschentür und überließ es den Amerikanern, ihre Bezeichnung »screen door« beizubehalten.
    (Sie hatte ferner ein intensiviertes Nationalgefühl mitgebracht, das von ihrem Heimweh nach der Grafschaft Kerry geprägt war, und schließlich – abgesehen von ihrem BA in Moraltheologie – ein Rezept für »Falschen Hasen«, ein Abschiedsgeschenk von ihrer Zimmergenossin June Grately, die im Hauptfach Wirtschaftskunde studierte.)
    Doch alle Gedanken an Proust und Maschentüren schwanden augenblicklich, sobald er der Verwüstung ansichtig wurde, die sich vor ihm ausbreitete. Im Gemüsegarten seiner Tante war das Unterste zuoberst gekehrt worden. Dem emsigen Suchen des Schweins nach Futter und sonstwie Fressbarem war zum Opfer gefallen, was Aaron an den Überbleibseln als Tomaten und Gurken, Paprika und grüne Bohnen, Rotkohl, Möhren, Lauch und die unvermeidlichen Kartoffeln ausmachte. Das Kräuterbeet – Basilikum,Minze, Koriander und Kümmel – war bloß noch ein Haufen Mulch. Vier große Sonnenblumen, die die hintere Abgrenzung des Gartens markierten, lagen mit dem Blütenkopf nach unten auf der aufgewühlten Erde.
    Aaron blickte zum Schuppen, in dem das Schwein für die Nacht untergebracht worden war. Die Tür hing nur noch am Schließband, pendelte sozusagen an einem dünnen

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