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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Fähigkeit, einen widerborstigen Abtrünnigen zu zügeln – all das wollte er sich versagen. Selbst das Glücksempfinden, wenn ihre freie Hand während des Händeschüttelns seinen Oberarm berührte, und das Gefühl, wenn sie mit der Spitze ihres Schuhs sacht an die Zehen in seinem Stiefel stieß, diese ganze ihm zustehende Belohnung wollte er ohne zu klagen dahingeben. Ihr Lob für seine – doch Aaron hielt inne in seinem Gedankenfluss und band sich die Schnürsenkel. Das Wort »Viehzucht« kam ihm in den Sinn, und da sich ihm damit verbundene abartige Vorstellungen aufdrängten, ließ er davon ab, sich Lollys (oder wie immer sie hieß) vermeintliche Gemütsaufwallungen auszumalen, und stieg die Treppe hinunter.
    Die Schnaufer aus dem Zimmer seiner Tante, die er vernahm, während er hinunter in den Korridor ging – im ersten Moment hatte er schon befürchtet, er würde noch immervon dem Gegrunze des Schweins verfolgt –, belehrten ihn, dass sie noch nicht auf war, und nach logischer Überlegung, wofür er nur wenige Sekunden benötigte, schlussfolgerte er, dass es nicht sie gewesen war, die das Schwein herausgelassen hatte. Und so gelangte er in die inzwischen völlig aufgeräumte und makellos saubere Küche. Ringsum war alles tapeziert; nicht nur die vier Wände, auch die Decke waren mit einem Muster winziger roter Röschen verschönt, die eine gewisse Ähnlichkeit mit kränkelnden Bienen hatten. Schon glaubte er, das Summen und Brummen der verstörten Insekten zu hören. Bei der ersten Bewegung würden sie ihn angreifen und zu Tode stechen. Sie würden ihn umschwirren, würden wütend über seinem Kopf kreisen, über sein Gesicht und den ganzen Körper krabbeln.
    Wenn das Ergebnis von Kittys Mühen auch nicht gerade beruhigend wirkte, so beeindruckte ihn dennoch, welch gewaltige Arbeit sie geleistet hatte. Zudem begriff er ziemlich bald, welche Absicht seine Tante verfolgte, sei es bewusst oder unbewusst. Auf dem Tisch stand eine komplette Computerausrüstung mit Bildschirm und Tastatur, mit Modem und Maus. Hier in der Küche betrieb sie ihre Schriftstellerei. Um sich ihre Zurückgezogenheit zu bewahren, hatte sie den Raum so unwirtlich gestaltet, wie sie nur konnte. Niemand würde in diesen Wänden verweilen wollen. Sollte es doch einer wagen, hier einzudringen, die Ungastlichkeit und Ungemütlichkeit würde jeden, der auch nur einen Funken Gefühl hatte, abschrecken. Der Bienenstock war ihre Domäne, die mickrigen Bienen waren ihr Schutz und ihr Schild.
    Kitty schrieb Romane, die sich einiger Beliebtheit erfreuten. Dabei verfuhr sie, wie sie nur Aaron eingestanden hatte, nach einer einfachen Methode. Sie nahm sich ein Werk vor, das weite Verbreitung gefunden hatte, versah es mit ihren, wie sie es nannte, »Korrekturen« und brachte esals ihr eigenes Buch auf den Markt, was ja schließlich der Wahrheit entsprach. Jede Geschichte erhielt bei ihr ein Happy End, die Hochmütigen kamen zu Fall, die Demütigen zum verdienten Sieg. Die Paare wurden umarrangiert; eine Waffe wurde durch eine andere ersetzt; Haarfarben wechselten, und Frisuren ließen sich beliebig austauschen. Die Kleidung verteilte die Autorin mit geringfügigen Änderungen auf andere Personen, darunter litten zuweilen die Moden, erhielten aber gewissermaßen als Entschädigung mehr Chic. Geschlechterwechsel löste so manches Problem, wobei sich oft neue Möglichkeiten eröffneten. Um dem Vorwurf des Plagiats zu entgehen, wurden Schauplätze umgestaltet, neue Landschaftsbilder entworfen, Möbelstücke und Requisiten aus anderem Material gefertigt. Dabei entstand keineswegs ein Durcheinander, sondern häufig eine Umwelt, die der Leser eher fesselnd als verwirrend empfand, war sie doch einzigartig und wies unerschöpflichen Erfindungsreichtum auf.
    Als Aaron sie in einem Brief, in dem er auf ihr Geständnis einging, fragte, warum sie – da ihr doch so viel Einbildungskraft zur Verfügung stehe und es ihr an handwerklichem Geschick wahrlich nicht mangele – nicht einfach Romane schriebe, die durchweg nur ihrem Geist entsprängen, antwortete sie, dass sie ohne den Ärger und die Frustration, die ihr die Verfasser der Originale bereiteten, hilflos sei. Die hätten alles falsch angepackt, aber sie würde deren Geschichten in Ordnung bringen. Die Fehler, die sie in den Werken entdeckte, würden ihre Einbildungskraft beflügeln, würden ihr Energien zuführen. Ohne den Stachel dieser Irrtümer erlahme ihr Wille, fehle ihr die Kraft fortzufahren. Ihr

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