Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
könnte, als dessen Beschützer er sich gegenwärtig wähnte. Er legte wieder auf. Sollte Declan Tovey seine Ruhe genießen. Aaron schickte sich an, die Hotdogs zu essen, die seine Tante im Kühlschrank gelassen hatte, vielleicht sogar die Dose Tomatensuppe warm zu machen, die auf dem Regal in der Speisekammer stand. Das Schwein wollte er mit den Pellets aus dem Fünfzig-Pfund-Sack füttern, den Lolly von der Ladefläche ihres Transporters abgeworfen hatte. Danach duschen und sich bewusst zwanglos ankleiden, denn das passte am besten zu seiner Art, sich betont lässig zu geben. Schließlich wollte er die Straße hinunter zu Dockery’s gehen und alle Abhaltungen hinter sich lassen, die ihn von seinem festen Vorsatz abgebracht hatten, sich mit Gedanken an Phila Rambeaux zu geißeln. Den ganzen lieben langen Tag hatte sich Phila mit hingeworfenen Brocken und Überbleibseln begnügen müssen, mit Momenten der Aufmerksamkeit, die nie dazu kamen, sich hinreichend zu weiten, um ernsthaft zu schmerzen. Was ihm am Strand nicht vergönnt gewesen war, das würde gewiss im Pub gelingen. In der Menge konnte er sich um so einsamer fühlen – selbst wenn es dort nicht von Leuten wimmelte. Er könnte am Ende der Bar stehen, von niemandem wahrgenommen, von niemandem beachtet. Sein Blick würde nur den aufgereihten Flaschen gelten und dem wenigen, was die Segenspender von der Spiegelfläche nicht verdeckten.
Da er sich einen lang hinziehenden Abstieg in die Tiefen des Gemüts wünschte, wollte er mit sorgsam abgemessenen Schlucken trinken, wie es jemandem zukam, der über seinen Verlust nachgrübelte, der sich dem hingab, die betrüblichen Umstände seines jüngst verflossenen Lebens wie Perlen am Rosenkranz abzuzählen, Gedanken, die sein Gefühl des Verletztseins stärken und dem Glauben neueNahrung geben sollten, dass ihm keinerlei Hilfe zuteilwerden könnte.
Umhüllt von der hauchdünnen Trennschicht zwischen dem Bewussten und dem Unterbewussten, war das Wissen, dass er, Aaron, eher von Phila besessen war als in sie verliebt. Er hatte sie sich dazu auserwählt, ihn zu lieben – was ihm umgekehrt die Mühe ersparen sollte, sie lieben zu müssen. Und er war bereit gewesen, alles nur Mögliche anzustellen, um sie zum Mitmachen zu gewinnen. Als sie ablehnte, eine solche Ehrung anzunehmen – ohne sie auch nur flüchtig in Betracht zu ziehen –, verschaffte ihm die Zurückweisung alle Gefühlsaufwallungen, die erforderlich waren, sich einzureden, er sei verliebt: Eifersucht, Wut, Kummer, Sehnsucht und unstillbares Verlangen.
Wirklich verliebt war er nicht. Er hatte nur, ganz einfach, nicht das bekommen, was er sich gewünscht hatte, und nun hatte alles, was zu einer abgewiesenen Liebe gehörte, von ihm Besitz ergriffen und die stille Wut genährt, die ihm aus seinem vergeblichen Bemühen erwuchs. All dessen war sich Aaron bewusst und hätte es nicht geleugnet, wäre er gezwungen gewesen, vor sich selber Rechenschaft abzulegen. Vorläufig gab er sich mit der üblichen Entschuldigung zufrieden: Schmerz sei eben Schmerz, ganz gleich, was der Grund, egal ob der betrauerte Verlust wesentlich oder nichtig sei. Seine Seelenpein war echt, und dass sie seiner Ichbezogenheit entsprang, zählte nicht. Dass er sich seine Leiden selbst auferlegt hatte, tat nichts zur Sache. Wie auch immer, Aaron litt. Ein Narr mochte er wohl sein, doch wenigstens ein Narr, der die Hartnäckigkeit menschlichen Strebens verkörperte, die Fähigkeit nämlich, die seiner Spezies eigen war, sich ohn Unterlass nach etwas zu sehnen, selbst wenn alle Hoffnung, es je zu erreichen, längst erstorben war.
»Aaron McCloud«, sagte Francis. »Bischt wieder mal hier. Prächtig siehst du aus.« Sie begrüßten sich mit Handschlag.Aaron bestellte ein großes Guinness. Nach geraumer Zeit, die erforderlich war, das Bier zu zapfen und den Schaum sich setzen zu lassen, stellte Francis ihm das Glas hin. Aaron nahm einen tüchtigen Schluck. Es schmeckte, wie nicht anders zu erwarten, nach saurem Kaffee. Da war er nun gekommen, um den Geschmack dieses irischen Biers zu genießen, und prompt wurde er, wie stets bei Guinness, enttäuscht. Die dunkelbraune Flüssigkeit sah aus wie Wurzelbier, die süßliche amerikanische Limonade, und so sehr sich Aaron auch mühte, er konnte die Erinnerung an das ihm Vertraute nicht unterdrücken.
Er nahm noch einen Schluck. Seine Enttäuschung war nicht mehr ganz so herb, und er wusste, bis er das Glass geleert hatte, würde sich bei ihm der
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