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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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die sich vorbeugte. Aaron wartete darauf, dass sich der Mann zurücklehnte, doch selbst nachdem Aaron einen weiteren Schluck genüsslich in die Länge gezogen hatte, saß der Mann in unveränderter Haltung da.
    Aaron schaute in sein Glas. Dass er einigen Aufwand betrieben hatte, sich für den Abend angemessen anzuziehen, gab ihm eine gewisse Befriedigung. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, sich formvollendet zu kleiden, aber ehe er wusste wie, hatte er schon ein grobgewebtes weißes Hemd übergestreiftund ein Paar gebügelte Khakihosen an, dazu die vom Straßenschmutz gesäuberten Alfani-Schuhe. Er hatte sich gekämmt und war ein wenig durch das Haar gefahren, um athletischer zu wirken. Ein Blick in den Spiegel hatte ihn davon überzeugt, sich in den zwei Tagen in Irland von einem etwas faden Mann jenseits der Dreißig zu jemand gewandelt zu haben, der in der Blüte seiner Jugend stand. Aus dem Draufgängerischen seiner frühen Jahre war männliche Selbstsicherheit geworden; die zuvor weichen Züge hatten durch Erfahrung an Struktur gewonnen, der zögerliche Blick war von Kühnheit geprägt, konnte, wenn es die Situation erforderte, herablassend sein, die Lippen waren blutvoll und prall wie sein Penis im Vorgefühl großer Taten. Seine Kleidung hatte etwas Maßgeschneidertes an sich, der raffinierte Zuschnitt brachte die breiten Schultern zur Geltung, den sich verjüngenden Rumpf, die harten Schenkel, ganz zu schweigen von den schlanken Hüften und dem festen Gesäß, dem die Abstammung von den Kentauren anzusehen war. Das zersauste Haar in seinem wohlberechneten Chaos war nicht bloß eine geeignete Bekrönung, sondern konnte dem Betrachter auch die Gewissheit vermitteln, hier Zivilisation in einem Moment vollständigster Erfüllung vor sich zu haben: Die Schlangen der Medusa waren nicht nur gebändigt und gezähmt, durch göttlichen Spruch hatten sich ihre Windungen verformt in die Ringel und Locken und losen Strähnen, die sich zwanglos miteinander verflochten und trotz alledem immer noch an das urwüchsig Unheimliche gemahnten, an die mögliche Rückverwandlung in das mythische, sein Opfer versteinernde Scheusal.
    Mit anderen Worten, Aaron fühlte sich vom Geschick ungemein bevorzugt und war nur zu bereit, sich jedem zu zeigen, der an diesem klaren und angenehmen Abend per Zufall in Dockerys Bar geriet wie er selbst.
    Mindestens ein Drittel aus Aarons Pint wollte noch getrunkenwerden. So genehmigte er sich einen weiteren Schluck und noch einen. Lolly hatte ihre Haltung nicht verändert, ebenso wenig wie der Mann. Aaron studierte angelegentlich die Schaumstreifen, die an den Wänden seines Glases Muster bildeten. Bald aber trieb es ihn, wieder in den Spiegel zu schauen und zu verfolgen, wie sie sich weiter verhielten, Lolly und der Mann, ob sie sich zurücklehnten oder vorbeugten, sich nach links oder rechts drehten, die Hände auf dem Tisch ließen oder wegnahmen, ob Lolly redete oder zuhörte.
    Es ärgerte ihn, dass Lolly McKeever und ihr Begleiter derart seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Was er mit ihr früher am Tage erlebt hatte, hätte doch reichen müssen. Abgesehen davon, dass sie eine potentielle Mörderin war, interessierte sie ihn rein gar nicht, redete er sich ein. Er musste aufhören, in den Spiegel zu glotzen.
    Dennoch tat er es weitere Male, ehe er sich davon losriss. Mit der selbstgefälligen Ungezwungenheit eines Cowboys, der davon ausgeht, dass ihm alle gespannt zusehen, schlenderte Aaron, die Schultern hin und her wiegend und unverwandt geradeaus schauend, zum Dartboard hinüber. Er zog die drei rotfbefiederten Pfeile – befiedert eigentlich nicht, der darwinschen Lehre entsprechend waren die Federn zu Hartplastik mutiert –, er zog sie also aus der Korkplatte und ging hinter die graue Wurflinie zurück, die den vorgeschriebenen Abstand von der Scheibe markierte. Zwischen Bar und Rückwand, doch gebührend entfernt von den Séparées, war das Spiel in einer eigens dafür gedachten Nische untergebracht und konnte von fast überall im Gastraum eingesehen werden. Der Spieler stand mit dem Rücken zu den Anwesenden, außer wenn er die geworfenen Pfeile zurückholte und sich zu einem weiteren Versuch aufstellte. Mit nicht ungeübter Sicherheit warf er den ersten Pfeil. Eine Single-20. Er warf einen zweiten Pfeil. Der traf den Drahtrand und sprang weg. Der dritte eine Triple-7. Daraufbedacht, die Ruhe in Person zu mimen, sammelte er bedächtig die Darts ein. Der erste Pfeil landete im

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