Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
äußeren Ring um das Bull’s Eye. Ein Single-Bull. Ehe er noch den zweiten Wurf machen konnte, kam ein Mann mit seinem Pint in der Hand und stellte sich hinter ihn, genau zu seiner Rechten. Aaron tat noch einen Tick selbstsicherer und hätte etwas darum gegeben, wenn ihm tatsächlich so unbekümmert zumute gewesen wäre. Nach mehreren abwägenden Pfeilhaltungen wagte er den Wurf. Eine Double-9. Der Mann rückte näher an ihn heran. Aarons dritter Dart traf genau in die Mitte. Ein Double-Bull.
Während er seine Pfeile von der Scheibe holte, bezog ein weiterer Gast ein Stück hinter der Wurflinie Stellung. Aaron überlegte, ob er lieber an die Bar zurückgehen sollte, doch der zweite Mann hielt ihm ein volles Glas Guinness hin. »Du bist der erste McCloud, der einen Single- und einen Double-Bull in einer Runde schafft«, sagte er. »In all den Jahren, du bist der erste.«
»Danke sehr«, erwiderte Aaron. Er nahm das Glas, nippte daran und stellte es am Ende des Tresens neben sein anderes, noch nicht ganz geleertes Glas.
»Was dagegen, wenn ich mitmache?«, fragte der Mann. Er hatte drei Pfeile in der Hand, die mit den gelben Polyester-Flights.
»Na, los«, sagte Aaron. »Hab schon lange nicht mehr gespielt. Nicht schlecht für den Anfang. Ein Fuchs, der Single- und der Double-Bull.«
»Ihr McClouds seid alle Lügner, man kennt euch, macht aber nichts. Wie wär’s mit einem schnellen Spiel?«
»Von mir aus.«
Der Mann war kurz und kompakt gebaut, hatte einen riesigen Kopf, und der Hals war kaum mehr als ein Speckkringel zwischen Kinn und Brust. Höchstens eine straff gespannte Schnur hätte man bis zum eigentlichen Halswirbel durchziehen können. Er schnaufte leise, bei jedem Ein- undAusatmen klang es, als ob ein Fetzen zähen Auswurfs hin und her flappte. Seine Haut war überall rosa. Das Gesicht, die Hände, der kahle Kopf – alles rosa. Aaron kam der Verdacht, er hätte ihn schon mal gesehen, begriff aber bald, dass ihm das Schwein vorschwebte. Ihm war sofort klar, wer von ihnen gewinnen würde, egal welche Variante sie spielten.
Der Mann startete die erste Runde, von den feststehenden 301 Punkten gelangte er rasch auf Null, indem er die Punktzahl mit etlichen Würfen auf die Double-17 verringerte. Aaron blieb bei 132 stehen. Ziel des Spiels ist es, die Punkte von 301 mit so wenig Würfen wie möglich auf Null zu bringen. Bei der zweiten Runde schnitt Aaron besser ab, stand bei 93, der Schweinsköpfige freilich bei Null.
Jedes Mal, wenn Aaron nach vorn ging, um seine Pfeile zu holen, warf er einen Blick auf Lolly und ihren Begleiter, vergewisserte sich, bevor er erneut hinter die Wurflinie trat, wie sie jetzt dasaßen. Sie veränderten ihre Haltung nur wenig, doch war deutlich, dass ihr Gespräch an Intensität gewann. Lolly umklammerte ihr Glas, der Mann hatte die Arme, nicht bloß die Hände, auf den Tisch gelegt, die Ellenbogen mindestens eine Handbreit von der Tischkante. Keiner von beiden schien auf das Spiel zu achten.
Während der dritten Runde gesellte sich eine Frau zu den Spielern und schaute zu. Sie war jung, blond, trug ein rosafarbenes T-Shirt, enge Jeans und Reebok-Sportschuhe. Zwischen Aarons Würfen und denen des Schweinemenschen schrieb sie ihre Initialen auf die Tafel mit dem Punktestand – CC –, das hieß, sie wollte gegen den Gewinner spielen. Sie hatte ihren eigenen Satz Wurfpfeile bei sich, solche mit blauen Flügeln. Der Schweinsköpfige, wild darauf aus, es mit einer schönen Frau aufzunehmen, beendete das Spiel erbarmungslos mit sieben Würfen und schloss mit einer Doppel-Eins ab. Aaron hätte es gern gesehen, dass Lolly ihn beim Wettstreit mit einer jungen Blonden beobachtete, doch er stand noch bei 197.
Schließlich obsiegte die Gerechtigkeit. Im Kampf mit der jungen Frau unterlag der Schweinemann. Er geriet ins Schwitzen, zuckte nervös mit den Lippen, vergaß den Punktestand zu berechnen, büßte den genau abschätzenden Blick ein und verlor die Ruhe für den zielsicheren Wurf. Die Frau schloss mit einer Double-3 und ließ ihren Gegner mit 199 offenen Punkten im Regen stehen.
Der Schweinemann lächelte tapfer und bestand darauf, für alle eine Lage zu schmeißen und auch einem ein wenig abseitsstehenden Zuschauer einen Drink zu spendieren. Die junge Frau lehnte den Drink ab, desgleichen die Aufforderung, mit dem Zuschauer eine Partie zu spielen. Sie müsste zu ihrem Freund zurück, der sich mit einer Frau unterhielt, die jünger war als sie und mindestens ebenso blond.
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