Das Schwert der Keltin
auf dem Bauch über das raue Gestein vorwärtsbewegen konnten. Der Weg ließ sich in dieser Dunkelheit nur noch ertasten und war länger, als sie es sich vorgestellt hatten. Valerius versuchte sich auszumalen, wie der grauhaarige Tribun diesen Weg zurücklegte, schaffte es jedoch nicht. Wenn am Eingang nicht die Opfergaben zurückgelassen worden wären, hätte er sogar geglaubt, dass dies die falsche Höhle gewesen wäre.
Ein Stück hinter ihm sagte Longinus: »Ich hoffe, es gibt da eine Möglichkeit, sich einmal umzudrehen; ich bin nämlich ganz und gar nicht scharf darauf, diesen Weg rückwärts wieder zurückzukriechen.«
»Dort vorn ist Platz. Ich spüre einen Luftzug.«
Doch plötzlich fühlte Valerius keinen Boden mehr vor sich, und auch die Decke schien verschwunden. Er hielt schweißgebadet an, und Longinus stieß von hinten gegen seine Fersen. »Halt«, rief Valerius.
»Du solltest jetzt vielleicht einmal die Kerze anzünden.«
Valerius tat, wie ihm geheißen, doch es dauerte länger als sonst. Seine Hände folgten noch nicht so ganz den Befehlen seines Gehirns, und das abgesplitterte Zündholz war nicht ganz trocken. Valerius kniete sich hin und fachte die Flamme an, und somit sah er nicht sofort, welcher Anblick sich ihm dort bot.
»Julius, sieh mal nach oben.« Longinus sprach auf Thrakisch, so wie er es nachts tat oder in der Schlacht oder in Momenten großer Anspannung.
Valerius hielt die Flamme ein wenig höher, und nun sah auch er es. Beinahe hätte er die Kerze fallen lassen, so erschrocken war er. Das Licht kam ihm einfach aus zu vielen Richtungen wieder entgegen. Im ersten Augenblick was das alles geradezu überwältigend, so wie das Strahlen des Gottes einen auch in den Kellergewölben hätte in Erstaunen versetzen sollen, und dies doch nur selten vermochte. Mit der Zeit konnte Valerius in dem blendend hellen Goldschimmer einige Details ausmachen. Er schaute auf einen ruhigen See hinab, dessen Oberfläche das Kerzenlicht widerspiegelte, als ob man ihn mit Öl benetzt und dann in Brand gesteckt hätte. An den Höhlenwänden hinter und oberhalb dieses Sees und an der Höhlendecke weit über ihm bildete der Fels eine geriffelte Wand aus purem Licht, noch heller, als die Sterne es waren. Selbst wenn ein Priester sein ganzes Leben damit verbracht hätte, kleine Diamanten in den Fels einzusetzen, hätte die Höhle nicht mehr glänzen können als ohnehin schon; und doch waren dort eben keine Diamanten, sondern nur Wasser und das Licht einer einzigen Flamme. Als Valerius sich staunend umwandte, wanderte der Lichtkegel mit ihm und schimmerte, als ob er von geradezu lebendiger Gestalt wäre.
»Mithras...« Mit echter Verehrung flüsterte Valerius den Namen. »Wahrlich, die Höhle, in der er geboren wurde, könnte ausgesehen haben wie diese hier.«
Nun waren sie dem Mysterium für jemanden, der diesem Gott nicht angehörte, aber zu nahe gekommen. »Ich warte draußen«, sagte Longinus.
Valerius hätte ihm widersprechen können, tat es aber nicht. Er hörte, wie Longinus’ Stiefel an den Wänden des Tunnels entlangschürften, dann war der Thraker auch schon verschwunden.
Ganz allein mit seinem Gott bewegte sich Valerius nun etwas langsamer. Vor ihm breitete sich der See aus, spiegelglatt und vom Feuer geradezu vergoldet, und Valerius beobachtete die fließenden Wellen des Lichts, die die Kerze unter dem Hauch seines Atems auf den See hinaussandte. Noch immer hielten ihn die Träume der letzten drei Tage gefangen und Valerius sah Dinge in dem Feuerspiegel, von denen er eigentlich gedacht hätte, dass er sie nur in der Dunkelheit seines Kopfes zu erblicken vermochte. Caradoc, Sohn von Cunobelin, wurde an die Küstenlinie der Eceni angetrieben, und dieses Mal war sein Haar von einem blassen Rot und sein Gesicht war das seines Bruders Amminios. Lachend erhob sich dieser Caradoc nun, und sein eigener, rechter Oberschenkel bildete die Scheide, aus der er das Schwert zog. Mit diesem tötete er jene Männer, Frauen und Kinder, die gekommen waren, um ihn zu retten, und als Letzter starb ein hellhaariger Sklavenjunge namens Iccius.
Da dies für Valerius aber kein neuer Traum war und er seine Vision in gewisser Weise kontrollieren konnte, erhob sich Iccius diesmal nicht aus dem blutdurchtränkten Sand, um ihn, Valerius, zu töten. Stattdessen blieb er einfach liegen und verweste zu Haut und Knochen, wie auch die Toten der Stämme, nachdem man sie auf den Begräbnisplattformen zurückgelassen und in die
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