Das Schwert der Keltin
ganzen Tag einfach nur hier gesessen und zugeschaut haben, während die anderen sich ihre Kriegerfedern verdienen und jene Geschichten schreiben, die man sich später am Feuer erzählt.«
Wenn es schon für einen erwachsenen Mann, der sich aus freiem Willen mit seinem Eid daran gebunden hatte, sich von der Frontlinie fernzuhalten, schwer war, um wie viel schwerer mochte es dann erst für ein Kind sein, das sich nur daran hielt, weil sein Vater es ihm so befohlen hatte? Dubornos griff in sein Gürtelsäckchen und zog kleine Wurfknöchelchen heraus, die er wegen ihrer nie langweilig werdenden Unterhaltung immer bei sich trug. Er warf sie auf die versengte Erde beim Feuer und musterte die Anordnung, in der sie hingefallen waren. »Wir können genauso gut beten«, bemerkte er trocken. »Allerdings wird es noch etwas dauern, ehe die Schlacht beginnt. Hast du Lust auf ein kleines Spiel?«
XVI
»Wusstest du, dass so viele kommen würden?«
Longinus Sdapeze saß auf seiner kastanienbraunen Stute, die Unterarme auf den Knauf seines Sattels aufgestützt. Hinter ihm erstreckte sich, in Reihen zu je acht Mann, der komplette Flügel der Ersten Thrakischen Kavallerie. Neben ihm, ebenfalls hoch zu Ross, saß Julius Valerius, der sich - zumindest rein äußerlich - wieder von der Begegnung mit seinem Gott erholt zu haben schien. Aufmerksam beobachtete Valerius den Feind sowie die örtlichen Gegebenheiten eines Schlachtfelds, dessen Auswahl nicht mit seiner Zustimmung getroffen worden war und das er persönlich auch niemals ausgewählt hätte. Wieder war es die Lachsfalle der Eceni. Allerdings, das musste man auch sagen, war dies den Legionssoldaten schon lange vorher bekannt gewesen; ihre Inquisitoren hatten es für sie aus den Gefangenen herausbekommen. Ihr Vorteil lag nun also in genau dieser Vorwarnung und in jenen anderen Informationen, die sie danach von ihren Spionen und den gefangen genommenen Kriegern erhalten hatten. Während der Aufmarsch nun also seinen Fortgang nahm, konnte Valerius nur abwarten und die Genauigkeit bewundern, mit der die Vorhersage jetzt eintraf.
Mittlerweile waren sie bis zum Fluss vorgedrungen, den es jetzt zu überwinden galt. Er strömte direkt vor ihnen dahin, in seiner ganzen, für den Herbst typischen Breite, so dass die rauschende Kraft des Wassers Teile des Flussufers mit sich riss und kleine Tümpel, aus denen einige Monate zuvor noch das Rotwild getrunken hatte, beachtlich angeschwollen waren. Vom Sturm abgerissene Äste und leichtere Baumstämme aus den hoch über ihnen liegenden Bergen wirbelten unsichtbar über den Grund des Flusses und entrissen Pferd und Reiter nur allzu leicht den vermeintlich sicheren Halt unter den Füßen, um sie schließlich unter die Wasseroberfläche zu zerren. Selbst an der einzigen Stelle, an der man den Fluss sonst noch sicher hätte passieren können, sprudelte und wirbelte das Wasser jetzt recht gefährlich und brach sich seinen Weg durch Anhäufungen von Gesteinsbrocken und zerklüfteten Felsen; schon Tage zuvor hatten Caradocs Krieger diese dort platziert, um die Überquerung des Flusses noch gefahrvoller zu machen.
Am gegenüberliegenden Flussufer hatten sich Tausende von Kriegern zu kleinen Gruppen formiert oder saßen abwartend auf ihren mit Kriegsbemalung geschmückten Pferden. Jemand, der wusste, wonach er Ausschau zu halten hatte, konnte anhand der Art, wie sie ihr Haar trugen, an der Farbe ihrer Umhänge und an den mit farbigen Symbolen bemalten Flanken ihrer Pferde die einzelnen Gruppen und Unterhierarchien der Stämme ablesen. Ebenso leicht konnte jemand, der nach einem ganz bestimmten Feind - nach Caradoc - suchte, diesen an seinem weizenblonden Haar, dem farbenprächtigen Umhang und der ihn umgebenden Ansammlung von weiß gekleideten Ordovizern ausmachen. Schließlich aber musste man auch erkennen, dass die Gerüchte auf Wahrheit beruhten und dass an Caradocs Seite noch ein zweiter Caradoc ritt, weiß gekleidet, barhäuptig und auf einem Pferd sitzend, das seit der Invasion schon an allen wichtigen Schlachten teilgenommen hatte. Nun aber trug es einen neuen Reiter, dessen Haar nicht mehr von dem Rotbraun eines Fuchses im Herbst war.
Caradoc und seine Tochter nahmen nicht an dem Aufmarsch teil, der der übliche Auftakt zu einer Schlacht war. Ein vom Rang her ebenbürtiger Krieger aus ihren Reihen pflegte dann nämlich üblicherweise die Herausforderung anzunehmen und vorzutreten, um dem Feind noch vor Beginn der Schlacht einige Speere und
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