Das Schwert der Keltin
Hüfte klafften in seiner Tunika Risse, als ob er sich durch eine Dornenhecke gezwängt hätte oder einen steinigen Hügel hinabgerutscht wäre. Sein linker Unterarm war der Länge nach aufgeschürft, doch selbst diese Verletzungen waren lediglich Vorboten jenes Aufruhrs, der in seinem Inneren herrschte. Lythas erbrach sich ein letztes Mal und hievte sich dann ans Ufer. Erschöpfung hatte tiefe Linien um seine Augen herum gezeichnet, und die dunklen Schatten darunter zeugten von einigen Tagen und Nächten, die er auf dem Rücken eines Pferdes verbracht haben musste. Breaca musterte ihn prüfend, so wie sie auch jeden anderen Krieger gemustert hätte, der gerade von einem Gefecht zurückgekehrt war. Der Schock aber, der ihn erschütterte, als er aufblickte und plötzlich erkannte, wer sie war, riss auch Breaca beinahe von den Füßen. Seine Nachricht, die schon mindestens einen Tag alt war, eilte schon fast über seine Zunge hinweg, doch er wollte - oder konnte - sie noch nicht aussprechen.
»Erzähl es mir«, sagte Breaca. »Es ist besser, wenn ich es rasch erfahre. Ist er tot?«
»Nein, Herrin, nicht tot. Aber es wäre womöglich besser, wenn er es wäre.«
Hastig packte Airmid Breaca beim Arm. Als sie den plötzlichen Druck dieser Finger spürte, richtete Breaca sich wieder auf und verbarg ihre Angst. »Dann wurde er also gefangen genommen? Hat Scapula ihn?« Ich werde sie allesamt töten. Ich werde eine solch grausame Vergeltung über sie hereinbrechen lassen, wie es sie noch niemals zuvor gegeben hat ...
Der Bote schluckte einmal. »Noch nicht.« Mit deutlich erkennbarem Widerstreben fuhr er fort: »Cartimandua hat ihn und will ihn dem Statthalter als eine Art Gastgeschenk übergeben. Durch einen Trick hatten sie ihn nach Norden gelockt. Ein Bote war ausgesandt worden - Vellocatus -, um Caradoc am Strom an der Lahmen Hirschkuh zu treffen. Er überbrachte die Nachricht, dass Venutios von der Vierzehnten Legion gefangen gehalten würde, was auch der Grund dafür sei, dass er nicht die dreitausend...«
Das alles war einfach zu viel und ergab einfach zu wenig Sinn. Breacas Fragen überschlugen sich förmlich. »Vellocatus hält doch Venutios die Treue. Wie konnte er nur...« Dann, als die Pläne und Strategien eines ganzen Sommers vor ihren Füßen in Stücke zu zerbrechen schienen, sagte sie: »Die versprochenen dreitausend sind nicht gekommen? Wir haben also gegen Scapula verloren? Oder hat Caradoc Scapula geschlagen und dann die Krieger mit nach Norden genommen, um Venutios zu befreien?«
Airmids Finger waren noch immer um Breacas Handgelenk geschlossen, und sie drückte so fest, als wollte sie diese aus einem zweiten Traum aufwecken. »Breaca, vergib mir, aber wir sollten uns lieber in Bewegung setzen. Lythas ist zwei Nächte lang durchgeritten, nur um uns zu erreichen. Er braucht etwas zu essen und Wasser und vielleicht sogar einen Schluck Ale. Seine Nachricht wird uns eingängiger sein, wenn er sie uns so erzählt, wie sie ihm berichtet wurde, und das kann er am ehesten, wenn er erst einmal vor einem Feuer sitzt, mit einem wärmenden Trunk im Magen und weit entfernt von dem Anblick und dem Geruch des Meeres.«
Der Mann sagte nichts, doch in seinem Lächeln spiegelten sich Erschöpfung und Dankbarkeit in gleichem Maße wider.
»Komm mit mir«, sagte Airmid, »es ist schon ein Platz für dich hergerichtet.« Daraufhin folgten die anderen ihr, mit dem Hund dicht auf ihren Fersen.
Es schien so, als sei Airmid schon seit einer ganzen Weile wach gewesen und als habe sie schon damit gerechnet, dass sie Besuch bekommen würden. Der Platz, den sie bereits hergerichtet hatte, war ihre eigene Hütte, am westlichen Ende der Siedlung gelegen, der Ort der tiefsten Träume. Die Hütte hatte Wände aus Stein und Grassoden auf dem Dach, und in Armeslänge von der Tür entfernt verlief ein kleiner Bach, der sie mit den Wassern Nemains verband. Im Inneren der Hütte war bereits ein Feuer aufgeschichtet und entzündet worden, und drumherum waren drei zusammengefaltete Felle als Sitzgelegenheit gruppiert worden. Da es keine zusätzliche Lichtquelle gab, waren die Wände in tiefe Schatten getaucht, und es war unmöglich zu erkennen, welche weiteren Gegenstände Airmid noch in ihrem kleinen Haus verwahrte, doch in der Luft lag der Duft von Rosmarin und Salbei, von Pinienharz und Seetang, der sich sanft mit dem aufsteigenden Rauch vermischte. Dies war kein gewöhnlicher Ort, um einen Kurier zu empfangen. Aber es war auch
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