Das Schwert der Keltin
konnte, wäre sie bei Breaca nicht so offenkundig von der Liebe gemildert worden, die sie für ihr Volk empfand. In dem Mann, der sich Julius Valerius nannte, existierte jedoch keinerlei Liebe, und dafür verachtete Dubornos ihn.
»Ich habe keinen Bruder, wie du sehr wohl weißt«, sagte der Sänger noch einmal. »Und meine Schwestern sind beide durch deine Hand gestorben.«
Valerius seufzte demonstrativ. »Krieger, bist du etwa des Lebens müde?«
Der Sänger hielt dem Blick seines Feindes Stand und musste erstaunt feststellen, dass dieser nicht eine Miene verzog. »Möchtest du mir nicht lieber die Klinge meines Vaters zurückgeben, damit wir sehen können, wer von uns beiden sich wohl am meisten wünscht zu sterben?«
Der Dekurio lächelte voller Ironie, und mit einstudierter Liebenswürdigkeit entgegnete er: »Nein, danke. Später vielleicht, aber nicht heute. Ich habe äußerst präzise Anweisungen erhalten und die erlauben mir nicht das Vergnügen, Caradocs Anverwandte zu töten.«
»Ich bin nicht...«
»Dubornos, wirst du mir wohl endlich zuhören und versuchen zu verstehen? Ich weiß ganz genau, wer und was du bist, das steht außer Frage. Und du solltest auch wissen, dass, wenn wir einen feindlichen Krieger fangen, derjenige oder diejenige dann an Scapulas Inquisitoren weitergereicht wird, die einzig und allein zu diesem Zweck mit ihm reisen. Du magst die Ergebnisse ihrer Arbeit zwar noch nicht gesehen haben, aber du solltest mich wirklich beim Wort nehmen, wenn ich sage, dass ein jeder, der auf diese Weise verhört wird, schon gleich am ersten Tag den erlösenden Tod herbeisehnt - und solche Verhöre erstrecken sich über viele Tage. Dieser Befehl erstreckt sich auf jeden lebenden Gefangenen, ausgenommen jene, die direkte Anverwandte des Rebellenführers sind. Diese sollen unverletzt nach Rom überführt werden, um dort die Beschlüsse des Kaisers abzuwarten. Also wiederhole ich noch einmal, dass wir hier und jetzt Caradocs Bruder, seine Frau und die beiden Kinder gefangen genommen haben. Wenn du das bestreiten möchtest, werde ich dich nun nicht mehr davon abhalten; du magst die Spanne deiner dir verbleibenden Lebenszeit nun selbst bestimmen. Ich würde dir aber vorschlagen, dass du deine unhöfliche Behauptung nicht auch noch auf die Frauen und den Jungen ausdehnst.«
Dies war offenbar einer jener Tage, an denen die Götter einen vor verschiedene Wahlmöglichkeiten stellten, und nicht eine dieser Entscheidungen war eine leichte. »Was passiert denn in Rom?«, wollte Dubornos wissen.
»Das hängt ganz vom Kaiser ab. Das kann ich nicht sagen, aber selbst eine öffentliche Kreuzigung wäre noch besser als das, was dich hier erwartet, wenn du, sagen wir mal, behaupten würdest, du seist ein Träumer von der Rebelleninsel Mona.«
»Oder ein Sänger?«
»Solch feine Unterschiede sieht Scapula nicht.«
Dubornos hatte das Träumen jahrelang geübt. Zu gewissen Zeiten und an gewissen Orten war es ihm gegeben, die Stimmen der Götter zu vernehmen oder ihre Zeichen zu sehen. Im Gebet an Nemain, die er den anderen Göttern ein klein wenig vorzog, blickte er sich nun um und sah zu dem grauen Felsen hinüber, zu dem purpurroten Leuchten der Berge und dem dunklen Rauch, der aus dem Tal aufstieg und auf einem sanften Wind leicht nach Süden driftete, und zu den unzähligen Krähen, die sich dort gerade versammelten, um sich an den Toten gütlich zu tun. Er dachte gerade über seinen eigenen Tod nach und über die Umstände, unter denen ihn dieser am schnellsten ereilen könnte, als ein plötzliches Aufblitzen auf einem der weiter entfernten Hügel seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Dort, halb versteckt hinter mit Beeren behangenen Ebereschen, flatterten im Wind eine Hand voll weißer Umhänge: Dort ritt die Ehrengarde von Mona. An ihrer Spitze Caradoc und an seiner Seite - auf einem neuen, frischen Pferd und mit einem Schild der römischen Legionare als Geschenk bewehrt - der Kundschafter der Briganter, den Dubornos zuletzt noch im Kanter den Bergpfad in eine bereits verlorene Schlacht hatte hinuntereilen sehen. Sie alle ritten in großer Eile in Richtung Norden.
Das war zwar nur ein sehr kleines Zeichen, um daran sein Leben zu hängen, doch es reichte aus. Auch der Dekurio hatte die Reiter gesehen. Sein Blick traf auf den des Sängers, und Dubornos antwortete: »Es scheint, als lebte mein Bruder, um den Kampf fortzuführen.«
Es dauerte einen Augenblick, ehe dem Dekurio die Worte und ihre Bedeutung wirklich
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