Das Schwert der Keltin
Bronze und in der Form eines Falken gefertigt, mit kleinen Jettperlen als Augen. Eines der schwarzen Augen war herausgebrochen und nur ungeschickt wieder ersetzt worden. Der Sänger bemerkte all dies in der dem Traum ähnelnden Klarheit des Augenblicks, mit der er auch alles andere wahrnahm. Dubornos erprobte die Klinge und stellte fest, dass sie genauso scharf war wie die Häutemesser der Träumer, die jeden Tag aufs Neue so präzise geschliffen wurden, dass man sich mit ihnen rasieren konnte.
Auf dem Heidekraut ausgestreckt lag Hail. Zwar schrie er nicht mehr, doch wimmerte er leise vor Schmerz. Der Dekurio legte eine Hand auf den Kopf des alten Hundes, sprach in einer Sprache, die älter war als das Lateinische, sogar älter noch als das Eceni seiner Kindheit. Der Hund fiepte, wie schon vorhin auf dem Weg, erkannte den lang vermissten Tonfall und konnte doch dessen Quelle nicht mehr ausmachen. Er drückte seine Schnauze in eine vertraute, seit langem gesuchte Hand, und wurde liebevoll von dieser umfangen. Dubornos merkte, dass er weinte, und entschied sich, die Tränen auch nicht mehr zurückzudrängen. Durch eine Kehle, die zu verkrampft war, als dass er noch in gemessenen Worten hätte sprechen können, sagte er: »Wir müssen seinen Kopf in Richtung Westen drehen.«
»Dann hilf mir.«
Gemeinsam drehten sie den Hund herum, sorgsam darauf bedacht, ihm nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, und am Ende stieß Hail einen langen Seufzer aus. Dann fand Dubornos seine Stimme wieder und erinnerte sich seiner jahrzehntelangen Ausbildung. Das Bittgebet an Briga konnte zwar von jedem gesprochen werden, gesungen werden durfte es aber nur von denjenigen, die dies auf Mona erlernt hatten. Dubornos sang also aus vollem Herzen, ließ seine Worte bis hoch über die Berge erschallen, damit jeder, der die Schlacht lebend überstanden hatte, ihn nun hörte und wusste, dass in diesem Augenblick eine große Seele von dieser Welt in die andere überging, in den Schutz und die Obhut jener Göttin, der sie soeben geweiht wurde. Auf dem Höhepunkt des Gesanges schnitt Dubornos mit der Falkenklinge vorsichtig entlang der Kehle des großen Hundes und ließ damit den letzten Schwall des hellen Blutes sich auf die Heide ergießen. Sein Blick ruhte dabei auf dem Dekurio, der ihn jedoch nicht wahrnahm.
»Du bist Caradocs Bruder.«
»Du weißt doch, dass das nicht stimmt.«
»Ich sage dir nur, was ich in den schriftlichen Bericht an den Statthalter setze, nämlich, dass du der Bruder des Rebellen bist und das da seine Ehefrau und diese beiden seine Kinder. Es ist schließlich bekannt, dass er zwei hat.«
»Nein. Cwmfen ist niemandes Ehefrau. Selbst Scapula müsste mittlerweile wissen, dass es so etwas bei uns nicht gibt. Unsere Frauen leben, wie sie wollen, und lieben, wen sie wollen. Sie werden von keinem Mann besessen, genauso wenig, wie wir von ihnen.«
Sie sprachen Latein, denn dies machte es leichter, zu vergessen, was sich gerade zwischen ihnen ereignet hatte. Auch standen sie ein deutliches Stück voneinander entfernt, was die Situation zu einer nicht ganz so offensichtlichen Farce machte. Die Mehrheit der Soldaten der Hilfstruppe war dazu abkommandiert worden, Steine zu sammeln, um dem Hund einen Grabhügel zu errichten. Cwmfen und Cygfa waren entwaffnet worden.
Dubornos hatte seine Waffen persönlich dem Dekurio ausgehändigt, welcher wiederum das Schwertheft bewundert hatte. Mittlerweile hatte der Offizier seine Fassung wiedererlangt und mit einer bewussten Parodie auf die Form, mit der sich die Träumer üblicherweise vorstellten, hatte er gesagt: »Ich bin Julius Valerius Corvus, befehlshabender Kommandeur der Ala Prima Thracum. Der Offizier, der den Jungen festhält, ist Longinus Sdapeze, Duplikarius der ersten Schwadron. Vor ihm solltest du dich in Acht nehmen. Sein Pferd ist heute getötet worden, und er hat es geliebt wie einen Bruder. Die anderen werden wir euch später vorstellen.« Anschließend verfasste er seinen Bericht, eine reine Erfindung.
Der Augenblick des gemeinsamen Verständnisses, der Begegnung und des Mitgefühls füreinander war wieder vorbei. Nun war Valerius wieder der Offizier. Wegen ihres Überfalls aus dem Hinterhalt hatte er seinen Umhang, der ihn als Dekurio auswies, zwar weggelassen, doch der Glanz seiner Führerrolle strahlte auch ohne diesen weiterhin von ihm aus, so wie er vor einer Schlacht auch von Breaca ausging; die Gewissheit des Sieges, die nur allzu leicht in Arroganz umschlagen
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