Das Schwert der Keltin
bedeckt und schließlich in jene Grube hinabgelassen hatten, die er zuvor eigenhändig ausgehoben hatte. Drei Tage und drei Nächte lang war er darin ganz still liegen geblieben, war so vollkommen in der Simulation des Todes versunken gewesen, dass die Grenzen zwischen seiner Welt und der anderen schließlich zu einem Nichts zusammenschrumpften. Als sie ihn bei Mondaufgang am Abend des dritten Tages dann wieder ausgruben, hatte Dubornos gar nicht mehr zurückgewollt. Denn inzwischen war Briga seine Gefährtin geworden und der Tod, den sie ihm bot, sein engster Vertrauter. In der Ewigkeit der Dunkelheit war er wieder und wieder über jene zahllosen Pfade gewandert, welche die Seelen der Toten auf ihrer Reise von dieser Welt in die andere beschritten - und auf diesen Wanderungen hatte Dubornos einen Frieden erfahren wie in seinem ganzen bisherigen Leben noch nicht.
Daraufhin hatte Airmid zwei Tage lang und in aller Abgeschiedenheit mit Dubornos arbeiten müssen, bis er wieder ganz in die Welt der Lebenden zurückgekehrt war. Die dadurch entstandene Nähe zu Airmid und der Schmerz, der mit dieser Nähe einherging, waren, so dachte Dubornos, einer der Gründe, weshalb er nicht hatte zurückkehren wollen. Er bat also Luain mac Calma und Maroc und Efnís, dass einer von ihnen Airmids Aufgabe übernehmen möge. Doch keiner von ihnen war seiner Bitte nachgekommen, was Dubornos ihnen allen sehr übel genommen hatte. Später jedoch, während der kurzen Augenblicke der echten Freude, die Dubornos’ Leben wie kleine Farbtupfer erhellten, begann er nach und nach zu begreifen, welch außergewöhnlichen Liebesbeweis Airmid ihm mit diesen beiden gemeinsamen Nächten zum Geschenk gemacht hatte - und er empfand schließlich eine tiefe Dankbarkeit.
Airmid hatte Dubornos zunächst gezwungen, die ganze Nacht über aufzubleiben und sich mit ihr über ihre gemeinsame Kindheit zu unterhalten - scheinbar endlose Gespräche. Dubornos hatte sich energisch dagegen gewehrt und überhaupt, Briga war da doch deutlich weniger herzlos. Entsetzt aber musste Dubornos schließlich feststellen, dass Airmids Wille stärker war als der seine und der der Göttin zusammen, denn Airmid hatte ihn gefesselt: mit Salbeirauch und mit einem Seil, gesponnen aus den unzähligen Erinnerungen an sein bisheriges Leben. Sie ließ ihn einfach nicht mehr los. Später dann waren sie zusammen über die sanften Hügel von Mona gewandert, und Airmid hatte ihm befohlen, alles Essbare, was sie fanden und welches von gelber Farbe war, hinunterzuschlucken. Gelb, die Farbe der Sonne, des Tages, des Lebens. Es war Hochsommer gewesen zu jener Zeit, und die vom Wind zerzausten Wiesen waren nur so übersät von gelben Sprenkeln. Er hatte Blumen und Pilze gekostet, von denen er mit Sicherheit wusste, dass sie giftig waren. Dennoch war er nicht daran gestorben. Anschließend hatte Airmid Dubornos geheißen, in einem kleinen Teich voller spitzer Steine am Fuße eines Wasserfalls zu baden. Etwas später stieg sie zu ihm in das eisige Wasser, zog seinen nackten Körper an den ihren heran, bis Dubornos das Herz brach und ein Damm in seinem Inneren nachgab, so dass er weinte und seine Tränen zu einem Strom anschwollen, bis schließlich alle Tränen geweint waren. Nach diesem Bad war Dubornos nackt an Airmids Seite eingeschlafen, und es erfüllte sich damit - zumindest in Teilen - sein lebenslanger Wunschtraum.
Als Dubornos erwachte, lag sein Kopf auf Airmids Knien; beide waren sie wieder angekleidet. Airmid zupfte spielerisch die Kletten aus seinem Haar, und in ihren Worten schwang die tiefe, vibrierende Stimme der Göttin mit.
»Es ist nicht der Tod, den du fürchtest, was auch immer dir dein Körper in den Schrecken deiner ersten Schlacht erzählt haben mag, Sohn von Sinochos. Es ist das Leben. Um ein wirklicher Sänger zu sein, musst du den Fluss wie eine Brücke überspannen und mit beiden Seiten gleichzeitig verbunden sein. Dein einer Fuß muss mitten im Leben stehen, als Gegengewicht zu dem anderen, den du in das Totenreich gesetzt hast. Es ist genauso wichtig, die Neugeborenen in dieser Welt willkommen zu heißen, wie die kürzlich Verstorbenen in der Nebenwelt zu begrüßen. Beide Aufgaben müssen mit der gleichen Hingabe erfüllt werden. Kannst du das schaffen?«
Airmid war wunderschön; das hatte Dubornos schon immer gedacht, selbst als sie noch Kinder mit aufgeschürften Knien gewesen waren und Airmid auf ihrem Arm die grüne Froschtätowierung trug, die sie als »anders«
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