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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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sie, dass Cunomar unter etwas Ernsterem als der Seekrankheit litt. Der Schiffsarzt gehörte zur römischen Armee, ging recht grob zur Sache und hatte auch nur eine begrenzte Auswahl an Arzneien dabei. Nichtsdestotrotz tat er sein Möglichstes, denn seine Anweisungen waren eindeutig gewesen: Er hatte die Gefangenen der Rechtsprechung des Kaisers lebend auszuliefern. Der Preis, den er ganz persönlich dafür zu zahlen hätte, wenn er versagte, war unvorstellbar.
    Diesen Gedanken immer in seinem Hinterkopf behaltend, hatte der Schiffsarzt also schließlich zerstoßene Ulmenrinde und Opium herbeigeschafft, um damit Cunomars Erbrechen und den Durchfall zu lindern, und er hatte ihnen sogar eigenhändig frisches Wasser gebracht. Auf Dubornos’ Vorschlag hin hatte er außerdem befohlen, dass die Eimer für ihre Exkremente zweimal täglich geleert wurden, und er hatte sie auf eines der mittleren Decks in eine Art Vorratskammer verlegen lassen, in der sich eine Luke befand, die sich öffnen ließ und ihnen Licht und frische Luft bescherte.
    Licht und Luft; kostbare Güter, die sie einst - unvorstellbarerweise - für selbstverständlich gehalten hatten. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Tagen genossen sie nun das salzige Meer in all seiner Schwindel erregenden Reinheit. Die Schärfe dieser Luft hatte sie niesen lassen, und das Niesen belebte auch wieder die schmerzenden Wunden an ihren Hälsen, wo die schweren Eisenringe ihre Haut aufgescheuert hatten. Sie weinten stumm, verbargen ihre Tränen voreinander, ganz so, als ob dem noch immer irgendeine Bedeutung zugekommen wäre. Und auch das Licht war ein zwiespältiger Segen gewesen. Die Dunkelheit hatte die eiternden Geschwüre unter ihren Eisenketten verborgen, hatte die skelettartig abgemagerten Körper der Kinder versteckt - in kurzer Zeit hatten sie so sehr an Gewicht verloren - und auch die Falten der Sorge und der Verantwortung, die sich bereits tief in die Gesichter der Erwachsenen eingegraben hatten. Sie hatten sich abgewechselt, um mit dem Kopf unter der Luke zu liegen und hinauf in den sich stetig verändernden Himmel zu starren, denn dies war immer noch besser, als sich gegenseitig anzusehen und daran erinnert zu werden, zu was sie verkommen waren. Am Abend, als es sich nicht mehr länger vermeiden ließ, hatte Dubornos schließlich herausgefunden, was Cygfa und Cwmfen bis dahin vor ihm verheimlicht hatten: Während sie die südwestliche Spitze der iberischen Halbinsel umrundeten, hatte bei dem Mädchen die erste monatliche Blutung eingesetzt, und sie war dabei, sich zur Frau zu entwickeln.
    Diese Neuigkeit war schlichtweg niederschmetternd gewesen. Gerade, als Dubornos gedacht hatte, dass sie nun nicht mehr tiefer sinken könnten, hatten ihm die Götter wieder einmal das Gegenteil bewiesen. Von dem Augenblick ihrer Gefangennahme an war Cygfa dem Vorbild ihrer Eltern gefolgt, indem sie eine schlichtweg unanfechtbare Würde zur Schau getragen hatte. Und nur zweimal war diese Fassade in sich zusammengebrochen; einmal im Lager der Briganter und dann noch einmal auf dem Boot, als ein Legionsschreiber sie geradeheraus gefragt hatte, ob sie noch Jungfrau sei. Cygfa hatte nicht darauf geantwortet, sondern lediglich mit eisiger Geringschätzung über ihre Köpfe hinweggeblickt, bis alle verstummten. Keiner hatte die Frage noch einmal wiederholt, und die schließlich einsetzende Reaktion des Mädchens, die Blässe und das Zittern, verliefen ungesehen von den Augen des Feindes.
    Schweigend verbargen sie auch die Tatsache, dass Cygfa zur Frau heranreifte. Dies hatte jedoch eine Wirkung auf Cygfas Seele, die ähnlich zerstörerisch war wie die Wirkung der Ruhr im Körper ihres Bruders. Dubornos hatte ihr all seine Hilfe angeboten. Als Sänger besaß er die Berechtigung, die Eröffnungsriten der drei langen Nächte in der Einsamkeit zu vollziehen, den Weg von der Kindheit hinüber zum Erwachsenendasein, und in Ermangelung eines anderen, der diese Aufgabe hätte übernehmen können, hatte er sich rasch, aber sorgfältig darauf vorbereitet und war willens, sein Bestes zu geben, um Cygfa die heilige Zeremonie erleben zu lassen. Zwar würde dies alles nicht ganz so ablaufen, wie es eigentlich ablaufen sollte, doch Dubornos hatte geglaubt, dass er dem Mädchen mit Cwmfens Hilfe durchaus eine echte Vision hätte eröffnen können; dass sie als Kind hätte einschlafen können und als Frau wieder erwacht wäre und in der Nacht dazwischen zumindest ein leises Flüstern der Götter

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