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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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auswies. Nun, im Abendlicht, war sie die zum Leben erwachte Nemain, die ihn liebevoll anlächelte. Zwar hatte er ihren Worten keinen Glauben geschenkt, denn jeden Tag wieder musste er mit der Scham, den die Furcht vor dem Tod ihm auferlegt hatte, kämpfen. Dennoch hatte er ihr Lächeln erwidert und geantwortet: »Ich kann es versuchen.«
    In den vier Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte er stets sein Bestes gegeben und war dennoch nicht immer erfolgreich gewesen. Während seines Aufenthalts in den Bergen, die sich über dem Tal der Lahmen Hirschkuh erhoben, hatte er sich noch einzureden versucht, dass er sich nur deshalb noch einmal für das Leben statt für den Tod entschieden hatte, weil er glaubte, dass das Wissen darum, dass seine Kinder lebten, Caradoc dazu verhelfen würde, den letzten, entscheidenden Sieg davonzutragen. Außerdem hatte Dubornos sich - selbstsüchtigerweise - danach verzehrt, die Reaktion des Dekurio der Kavallerie zu sehen, wenn Caradoc an der Spitze von Venutios’ dreitausend Mann starkem Heer in die zerschlagenen Überreste von Scapulas Legionen einfiel. Durch seine Eindrücke in dem riesigen, überfüllten Zeltlager der Briganter, durch die Begegnung mit Cartimandua, die ihnen ein Leben in Aussicht gestellt hatte, das noch um ein Vielfaches schlimmer gewesen wäre als der Tod, und zuletzt durch den Anblick des blutüberströmten, in Ketten gelegten Caradoc hatte Dubornos jedoch eines ganz deutlich erfahren müssen: Seine enge Verbundenheit mit seinem Volke und die Kraft, die ihm diese ursprünglich verliehen hatte, begann zu schwinden. In den langen Phasen der fortschreitenden Ermüdung zwischen der einen Erniedrigung und der nächsten dämmerte dem Sänger langsam die Wahrheit hinter Airmids Worten: Er hatte sich in der Tat niemals vor dem Tod gefürchtet, sondern vielmehr vor dem, was ihm seine ureigene Kraft rauben würde, vor dem, was seine Glieder erzittern und was ihn vor Angst weinen lassen würde wie ein Kind. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod selbst, sondern vor dem, was ihm den Tod brachte: vor den Qualen.
    Dubornos durchlitt nun das Schicksal vieler Soldaten: Nach außen hin kann ein Krieger zwar jederzeit den Eindruck der ruhigen Gelassenheit bewahren, vielleicht sogar im Angesicht der Gefahr noch ein wenig Humor zeigen; die Funktion seiner Eingeweide jedoch hatte noch kein Mensch bezwingen können. Im Lager der Briganter hatte es diesbezüglich noch die Illusion von Privatsphäre gegeben: Dort war dafür gesorgt worden, dass die Männer bei der allmorgendlichen Entsorgung der fauligen Schlacken ihrer Körper zumindest ein Minimum an Abgeschiedenheit vorfanden. Auf einem Schiff dagegen wurde einem selbst dieser letzte Rest an Menschenwürde abgesprochen. Zudem waren sie von Caradoc getrennt worden, denn der war bereits mit einem früheren Schiff abtransportiert worden und nach allem, was sie erfahren hatten, nun womöglich gar schon tot. Dubornos, Cwmfen, Cygfa und Cunomar hatten also ohne Caradoc unzählige Tage in dem dunklen, von Ratten bevölkerten Kielraum eines Handelsschiffes ausharren und auf schmierigen, übel riechenden Planken schlafen müssen. Essen und Trinken war ihnen ganz nach Lust und Laune der Soldaten der Hilfstruppen, die als ihre Wachen fungierten, zugeteilt worden, und den Weg zu den Eimern für ihre Exkremente hatten sie sich ertasten müssen.
    Zwar hatte es keiner für nötig befunden, darüber auch nur ein Wort zu verlieren, die beiden Erwachsenen aber, vielleicht sogar auch die beiden Kinder, hatten von Anfang an gewusst, dass diese schreckliche, den Verstand betäubende Qual nicht allein ihr Schicksal war, sondern das vieler. Aus diesem Wissen hatten sie ein wenig Kraft geschöpft. In der ersten Nacht, nachdem auf dem Schiff alles ruhig geworden war, hatte Dubornos mit einem Ohr an die hölzerne Bordwand des Schiffes gepresst dagelegen und Mannanan, dem Herrn der Meere, gelauscht, wie dieser weniger als eine Armeslänge von ihm entfernt leise flüsterte und gurgelte. In der Stille seines Herzens hatte Dubornos ihn damals gebeten, sie alle in den Tiefen der See versinken zu lassen, bis sich nicht eine Menschenseele mehr an sie erinnerte.
    Cunomar hätten sie dann auch tatsächlich beinahe verloren, wenngleich auch nicht an den Gott der Meere. Als sie die gallische Küste südwärts entlangsegelten, hatte der Junge begonnen, sich in einem Besorgnis erregenden Maße zu erbrechen. Doch erst als er blutigen, flüssigen Kot von sich gab, begriffen

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