Das Schwert der Keltin
Cunomars zerzausten Kopf einmal kurz an seine Schulter. Du wiegst ja nichts; und selbst wenn du überleben solltest, so wirst du nun nur noch eingeschränkt wachsen. »Mein Krieger in spe, sag, haben die Römer dich gut behandelt?«
Nun, sicher und geborgen in den Armen seines Vaters, begann Cunomar plötzlich ganz unerschrocken loszuplappern. »Ich hab die Ruhr gehabt, aber das ist schon wieder besser. Mir geht’s jetzt gut, und der griechische Arzt mit der langen Nase hat mir heute erlaubt, richtiges Essen zu essen, nicht den Milchbrei, den sie mir auf dem Schiff gegeben haben.« Dann aber zog ein Schatten über das kleine Gesicht, das nun wie die Miniaturausgabe des wütenden Gesichts seiner Mutter wirkte - eine Eigenschaft, die ihn nur noch umso liebenswerter machte. »Aber er hat Cygfa entehrt. Und dafür sollte er sterben. Und auch der, der dazu den Befehl gegeben hat.« Zum Glück sprach er auf Eceni. Andererseits aber war Claudius berühmt für seine Kenntnisse fremder Sprachen, und er war noch immer zugegen, höchstwahrscheinlich irgendwo in den Schatten verborgen, ein unsichtbarer Lauscher und Beobachter.
»Ich habe bereits gehört, was er getan hat«, entgegnete Caradoc. »Aber auch er folgt nur seinen Befehlen. Die Götter werden sich dieser Sache annehmen. Wir haben hier wahrscheinlich nicht die Möglichkeit dazu. Aber hast du denn schon mit dem Kaiser gesprochen?«
»Mit dem alten Mann mit der Lähmung? Er sabbert beim Sprechen. Und er hat meine Haare angefasst. Ich hasse ihn.«
»Ein Krieger vergisst auch in Gegenwart seiner Feinde nicht die Regeln der Höflichkeit, sowohl in Sieg als auch in Niederlage.« Das alles hätten wir dir allerdings schon viel eher beibringen sollen, hätten es dir von deiner Geburt an und am besten sogar noch früher täglich eintrichtern sollen. Warum haben wir das bloß versäumt? »Weißt du denn, wo der Kaiser ist?«
»Da hinten, bei den Säulen im Garten.« Cunomar zeigte ihm, in welcher Richtung sich der Kaiser aufhielt - allerdings wenig erfolgreich, denn mit seinem umherschweifenden Blick wanderte auch sein Arm. »Da stehen den ganzen Weg entlang Statuen und Springbrunnen. Sogar die Blumen sind in einer Reihe gepflanzt, genauso, wie auch die Legionen kämpfen. Die überlassen hier nichts den Göttern.«
Caradoc hatte Recht gehabt, als er die lauernde Gegenwart des Kaisers in den undurchdringlichen Schatten vermutete. Immer noch den Arm um Cunomar geschlungen, wandte er sich um.
Eine der Säulenreihen erstreckte sich bis hinaus in den Garten. Aus dem Schatten eines dieser Monumente ertönte nun eine dünne, nachdenklich klingende Stimme: »Er ist eindeutig der Eure. Er hat Euer Haar geerbt, und auch sein Gesicht trägt klar und deutlich Euren Stempel. Niemand würde daran zweifeln, dass Ihr sein Erzeuger seid.«
Verwirrt und stirnrunzelnd blickte Cunomar zu seinem Vater auf. In seinen Ohren ergaben diese Worte keinen Sinn. Es hatte doch überhaupt nie jemand bezweifelt, dass Caradoc sein, Cunomars, Vater war. Tatsächlich war ein halbes Schlachtfeld Zeuge gewesen, als Cunomar empfangen worden war; das hatte man ihm schließlich oft genug erzählt. Caradoc sah, wie sein Sohn einmal Luft holte, um nun die nur allzu offensichtliche Frage zu stellen - gab ihm jedoch hastig ein Zeichen zu schweigen. Mit grenzenloser Erleichterung beobachtete er, wie Cunomar seinen Wink verstand und gehorchte.
Die Stimme aus den Schatten fuhr fort: »Versteht das Kind kein Latein?«
Natürlich war das Kind von den besten Träumern auf Mona sowohl in Latein als auch in Griechisch unterrichtet worden. Der Kaiser jedoch sprach nur ein sehr rudimentäres Latein; selbst nach Ansicht jener, für die Latein ohnehin kaum mehr als so etwas wie ein Kind unter den vielen Sprachen war, zu jung, um in seiner linguistischen Differenziertheit bereits voll ausgereift zu sein. Aber das konnte Caradoc natürlich unmöglich sagen. Er neigte also leicht den Kopf und entgegnete: »Doch, er versteht Lateinisch. Aber nur, wenn die Worte sehr deutlich ausgesprochen werden.«
»Dann werden wir sie genau so aussprechen. Komm zu mir, mein Junge.«
Wenn du ihm etwas antust, dann wirst du dafür sterben, das schwöre ich, selbst wenn uns das alle in den Tod reißen sollte.
Lächelnd legte Caradoc seinem Sohn die Hand ins Kreuz und versetzte ihm einen sanften Schubs vorwärts. Unsicher trat Cunomar in das spätnachmittägliche Sonnenlicht, sein zerzaustes Haar verschmolz zu einer Kappe aus satiniertem
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