Das Schwert der Keltin
auf einen Ellenbogen. »Ich gehe mal nicht davon aus, dass du deine Knöchelchen noch bei dir hast?«
Dubornos Knöchelchen waren ihm schon kurz nach seiner Gefangennahme abgenommen worden, und er hatte sich nicht die Mühe gemacht, noch einmal neue zu schnitzen. Aus kleinen Brocken des Wandverputzes fertigten sie sich aber dennoch ein paar Spielsteine an, ritzten mit dem Fingernagel Kreuze oder Linien hinein und spielten dann eine etwas simplere Variante des Kriegertanzes. Während dieses Nachmittags brachte die Herbstsonne die südliche Zellenwand förmlich zum Glühen, und der Raum verwandelte sich in eine Art Backofen. Sowohl den Wachen als auch den Gefangenen lief der Schweiß nur so am Körper herunter, und Caradoc und Dubornos spielten zum ersten Mal in ihrem Leben jenes Spiel, zu dem sich vor der Invasion keiner von ihnen die Zeit genommen hatte. Langsam entspannten sie sich, unterhielten sich miteinander und tauschten die Neuigkeiten aus, die ein jeder seit seiner Gefangennahme hatte aufschnappen können.
Caradoc beugte sich träge vor und fragte: »Erinnerst du dich noch an Corvus? Den Römer, der genau an jenem Tag an den Strand gespült wurde, als auch die Greylag unterging?«
Dubornos blickte auf. »Wie könnte ich mich nicht an ihn erinnern? Er schlug mich doch damals bei dem Wettrennen am Fluss, stieß mich ins Wasser und war dann auch noch dabei behilflich, mich wieder herauszuziehen, bevor ich in den Teich der Götter fallen konnte. Er war damals der große Held und ich der Idiot. Dafür habe ich ihn gehasst.«
»Und nun ist er der Präfekt einer der gallischen Kavallerieflügel. Wenn wir wollten, könnten wir ihn jetzt also beide hassen.«
»Aber wollen wir das?«
»Ich denke nicht. Er besaß damals eine gewisse Integrität, und ich schätze, die besitzt er auch heute noch. Er war wegen irgendwelcher Angelegenheiten hier im Palast, hat dann aber wohl herausgefunden, dass ich hier bin, und ist daraufhin letzte Nacht noch einmal vorbeigekommen, um zu überprüfen, ob ich auch gut behandelt werde. Er hat unser Land erst vor vier Tagen verlassen, ist allerdings auf direktem Wege nach Ostia gesegelt.«
»Dann hat er sicherlich auch Neuigkeiten.« Dubornos versuchte, dies nicht wie eine Frage klingen zu lassen. Neuigkeiten aus der Heimat zu hören, zu erfahren, was sich auf Mona abspielte, wie es seinen Lieben ging - das war vom Augenblick seiner Gefangennahme an sein sehnlichster Wunsch gewesen.
Caradoc konnte es da nicht anders ergangen sein. Er nickte, ein klein wenig verkrampft. »Die hat er auch. Corvus’ Bericht zufolge toben die westlichen Stämme wie Bienen, denen jemand ihren Korb umgetreten hat. Zwei Kavallerietruppen haben sie innerhalb von ebenso vielen Tagen komplett ausgelöscht. Nur ein Einziger soll überlebt haben. Und das auch nur, weil er sich offenbar überzeugend tot gestellt hatte. Wenn dieser Soldat also Recht hat, dann wurden die Angriffskommandos von Breaca angeführt, was wiederum bedeuten würde, dass sie...« Abrupt hielt Caradoc inne.
Breaca.
Klirrend hallte ihr Name durch das trübe Dämmerlicht - wie ein Sinnbild all dessen, was sie verloren hatten. Es war das erste Mal seit ihrer Gefangennahme, dass Dubornos irgendjemanden ihren Namen aussprechen hörte. Doch selbst jetzt schien es ihm, als ob dieser Name nur aus Versehen gefallen, als ob er bloß einem unter großem Druck stehenden, rastlosen Geist entsprungen wäre.
Sehr leise fuhr Caradoc fort: »Was bedeutet, dass sie weiß, was passiert ist, und höchstwahrscheinlich ziemlich ungehalten darüber ist.«
Caradoc bemühte sich um Ironie oder zumindest um ein gewisses Maß an Humor - und schaffte es doch nicht. Bei der Nennung von Breacas Namen war in ihrer beider Innerem irgendetwas zerbrochen. Ohne einander zu fragen, beendeten sie das Spiel. Dubornos sammelte die Spielsteine ein und schob sie, vielleicht für später, unter seine Pritsche. Caradoc rutschte rückwärts, bis er wieder mit dem Rücken an der Wand lehnte. Mit einer Hand bedeckte er seine Augen, verbarg sie und die Seelenqualen, die sich sonst in seinem Blick gespiegelt hätten. Mit den Fingern der anderen Hand strich er wieder und wieder über die Schlangenspeerbrosche, die er an seiner Tunika festgesteckt hatte.
Das Öl der mittleren Lampe, die direkt über Caradocs Kopf hing, war inzwischen verbrannt, doch niemand hatte es nachgefüllt und die Lampe erneut angezündet. Das schwache Licht in der Zelle grub nun regelrechte Höhlen in Caradocs
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