Das Schwert der Keltin
abgeschlossen hatten, tropfte bereits wieder Blut über das rostige Metall. Caradoc hob seine gefesselten Hände und entbot Dubornos einen Gruß, der Ähnlichkeit mit dem Kriegergruß hatte. »Die Kinder«, sagte er auf Eceni. »Tu, was auch immer du tun musst, damit sie am Leben bleiben.«
»Das werde ich.«
Später, als der Klang der Schritte draußen auf dem Korridor wieder verhallt war, beugte Dubornos sich über den Eimer für die Exkremente; es kümmerte ihn nicht mehr, dass die Wachen ihn dabei beobachteten.
XX
Die Kinder: Tu, was auch immer du tun musst, damit sie am Leben bleiben.
Im Rhythmus dieser Worte schritt Caradoc den Korridor entlang. Klirrend fielen die Ketten an seinen Handgelenken in den Takt mit ein. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er seine Schutzbefohlenen nun noch retten sollte. Es fiel ihm schon schwer genug, festen Schrittes zu gehen, die Schmerzen seiner frisch aufgerissenen Wunden zu ignorieren und wenigstens für kurze Zeit noch den Gedanken an das nun Unvermeidliche zu verdrängen - den Gedanken an das, was alle bisherigen Qualen mit Leichtigkeit in den Schatten stellen würde. Die Wachen zu beiden Seiten der Tür des Audienzzimmers mit Achtung zu behandeln. Einem Kaiser gegenüberzutreten, den er aufs Tiefste verabscheute. Die Haltung und die Würde zu bewahren, die einem Krieger und Feldherrn gebührten.
Aus dem schlecht beleuchteten, mit schwarz-weißen Mosaiken gefliesten Korridor trat Caradoc unmittelbar in ein von Sonnenlicht durchflutetes Audienzzimmer ein. Der Raum war mit großen Platten aus edelstem rotem Porphyr ausgelegt, Porphyr von dem Purpurrot alten Weins, unregelmäßig gesprenkelt mit schneeweißen Flocken. Die Wände waren aus feinstem Gipsmörtel, glatt wie Marmor, und wurden am gegenüberliegenden Ende von einem Fries mit der Darstellung des Zyklopen Polyphemus geziert, der sich in demütiger Haltung vor die Meernymphe Galatea kauerte.
Auf Mona erzählten sich die Sänger neben ihren eigenen Mythen und Fabeln auch die der Römer und Griechen. Reisende Barden aus fernen Ländern hatten sie mit der Zeit immer farbenfreudiger ausgeschmückt und sie in Rollenspielen sogar bis ins Große Versammlungshaus getragen. Als Jugendlicher - auf der Flucht vor der Übermacht seines Vaters - war Caradoc bis in die Seehäfen von Gallien gesegelt. Dort, auf Hauswänden und an Zimmerdecken, hatte er dann zum ersten Mal die bildnerische Darstellung jener Mythen gesehen - übertriebene, verworrene Bilder, geschaffen von mittelmäßigen, untalentierten Kunsthandwerkern. Niemals zuvor also hatte er eine Verbildlichung der Sagen in solch eleganter Linienführung, mit solch leidenschaftlichem Ausdruck erblickt wie nun hier in diesem kaiserlichen Audienzsaal.
Ein erschöpfter, vom Schmerz zerrütteter Verstand, der sich nichts sehnlicher wünschte als eine kurze Zerstreuung von der Qual, konnte sich im Anblick dieses Frieses geradezu mühelos verlieren, konnte versinken in den leuchtenden Farben, konnte eintauchen in die Erleichterung, die sie den Augen inmitten all des nahezu erdrückenden Rots von Fußböden und Wänden bot - und konnte staunen angesichts der puren Leidenschaft, die so ungezähmt aus dem Bildnis heraus zu pulsieren schien. In diesem prächtigen Saal aber war irgendwo auch Claudius, vielleicht in dem aus dem Garten hereinströmenden Sonnenlicht oder in den angrenzenden Schatten, vielleicht aber auch in der blendenden Helligkeit, so grell nach den vielen Tagen des Dämmerlichts …
»Vater!«
Mitten in all dem Blutrot befand sich ein Kind: Cunomar, mager und hohlwangig, mit lieblos gestutztem Haar und einer deutlichen Schramme an einem Ohrläppchen. Mit weit ausgebreiteten Armen rannte er auf Caradoc zu. Frei. Plötzlich aber versperrten sechs bewaffnete Wachen den Eingang des Saals. Wer konnte voraussagen, wie diese Wachen reagierten, wenn ein unbesonnener kleiner Junge über den Marmorboden schlitterte und geradewegs in sie hineinrannte?... Tu, was auch immer du tun musst ...
» Ein Krieger rennt nicht in der Gegenwart eines Kaisers.«
Der Junge taumelte, legte das Gesicht in grüblerische Falten. Caradoc entbot ihm den Kriegergruß und sah, endlich, wie das Kind sich besann, sah die Unentschlossenheit in dessen Zügen, wie es sich nun weiter verhalten sollte. Darauf, mein Sohn, hatten wir dich wirklich nicht vorbereitet. Es tut mir so Leid. Caradoc trat noch einen Schritt vor, schloss seinen Sohn in eine von Eisenketten klirrende Umarmung und drückte
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