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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Silber. Hinter der dritten Säule von links war eine schattenhafte Bewegung zu erkennen, und diesmal konnte Caradoc deutlich die Quelle ausmachen: einen Mann in den Sechzigern, dem man sein Alter deutlich ansah, mit gebeugten Schultern und unordentlichem grauem Haar, fliehendem Kinn und großen, abstehenden Ohren. Er zog ein wenig den rechten Fuß nach, und sein rechter Arm war verkümmert und zitterte unentwegt. Anders als bei anderen Männern, die einem begegneten, sah man bei ihm also unwillkürlich zuerst auf das zuckende Körperglied und hob erst anschließend den Blick zu seinem Gesicht empor. Des Kaisers Teint war von einem ungesunden Grau, und die Wangen waren stark gerötet; seine Augen waren blutunterlaufen und umrandet von dunklen Ringen, die den chronischen Schlafmangel verrieten. Außerdem schienen sie während der ersten Augenblicke einer Begegnung zunächst vor jedem Blickkontakt zurückzuscheuen. Einem solchen Mann würde man gewiss keine Waren abkaufen, geschweige denn, ihm in eine Schlacht folgen.
    Zitternd streckte der Kaiser eine Hand aus, um über Cunomars Haar zu streichen. Der Junge stand stocksteif da, über seine Haut ging ein Schauer, ähnlich wie bei einem Pferd, das von Fliegen belästigt wird. Caradoc trat hinter seinen Sohn, ließ ihn die beruhigende Gegenwart des Vaters spüren. Grell und schmerzhaft fiel das Sonnenlicht in Caradocs von der langen Dunkelheit geschwächte Augen. Die Luft schien ihm plötzlich seltsam übersättigt vom Duft der Früchte und der süßen Herbstblumen. Nach einer Weile jedoch wurde ihm klar, dass die Quelle des stärksten aller vertretenen Gerüche Claudius selbst war. Er roch intensiv nach Rosen. Jedoch konnte selbst dieser Duft nicht den ebenfalls an ihm haftenden Geruch des Rosmarins und des scharfen Knoblauchs überdecken, die Ausdünstungen des Alters und den muffigen Geruch getrockneten Speichels.
    »So ganz eindeutig der Eure«, sagte der Kaiser wehmütig. Diesmal hielt er den Blickkontakt mit Caradoc etwas länger, und in diesem Augenblick konnte Caradocs Seele ganz flüchtig jene andere, zusammengekauerte und nachdenkliche Seele berühren, konnte für einen winzigen Moment die Tiefen dieses grausamen, eigentümlichen Verstandes ausloten, der dort in einem solch zerschundenen Körper eingesperrt war. Caradoc spürte, wie eine eisige Kälte langsam sein Rückgrat hinunterkroch, und versuchte krampfhaft, ein Erschaudern zu unterdrücken.
    Claudius lächelte. »Man sagt, dass Euer Hauptinteresse seit Eurer Gefangennahme allein dem Wohlergehen Eurer Familie galt. Und dass auch die Sorge Eurer Angehörigen zuallererst Euch gegolten habe und erst danach ihrem eigenen Schicksal - eine wahrhaft römische Tugend und damit höchst lobenswert. Meine Frau hat daraufhin den Wunsch geäußert, Euch kennen zu lernen, und ich habe diesem Wunsch stattgegeben. Genau genommen habe ich sogar meiner ganzen Familie befohlen, Euch und Euren Sohn kennen zu lernen. Ihr seid wahrhaftig ein Beispiel für den unzerrüttbaren Zusammenhalt einer Familie, in guten wie in schlechten Zeiten.«
    Auf dem Tisch neben dem Kaiser lag eine mit geometrischen Mustern geschmückte Messingglocke. Hell ließ der Kaiser sie einmal erklingen, woraufhin den gesamten Korridor hinunter noch etliche weitere Glocken angeschlagen wurden, bis schließlich das Geräusch eilig schlurfender Schritte ertönte. Herein kam ein Junge, nur wenig älter als Cunomar und von Etikette kaum eine Spur, obwohl die Wachen bei seinem Auftauchen vorschriftsmäßig salutierten.
    Steif, aber augenscheinlich erfreut über dessen Erscheinen, begrüßte der Kaiser seinen Sohn. »Dies ist mein Sohn Britannicus«, erklärte Claudius. »Er verdankt seinen Namen der Eroberung Eures Landes. Eure Anwesenheit hier bedeutet, dass er Eure Provinz schon lange, ehe er selbst Kaiser wird, gefahrlos besuchen kann.«
    Der Kaiser legte den Kopf leicht schief, wie um die Wirkung seiner Worte noch besser einschätzen zu können. Caradoc lächelte und ließ seinen Blick einmal über den Jungen schweifen. Der Junge war plattfüßig und klein. Sein gewelltes, mausbraunes Haar glich nicht dem seines Vaters, und auch seine Gesichtszüge waren nicht die von Claudius; eine Tatsache, für die er wirklich dankbar sein konnte. Außerdem versprühte Britannicus, als er Cunomar angrinste, einen Charme und eine gewisse Unschuld, die seinem Vater nun wirklich gänzlich fehlten. Britannicus hätte also ebenso gut auch der Sohn irgendeines anderen Mannes

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