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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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sein können. An ihm war einfach nichts, das ihn als Claudius’ Nachkommen auszeichnete.
    »Ein edles Kind«, bemerkte Caradoc. »Ich bin mir sicher, dass er eines Tages ein ebenso edler Kaiser sein wird.« Falls seine Stiefmutter ihn nicht vorher umbringen lässt, um ihrem eigenen Sohn auf den Thron zu verhelfen. Zumindest auf Mona nämlich hielt man es für ziemlich wahrscheinlich, dass nicht Claudius’ leiblicher Sohn, sondern sein Stiefsohn der nächste Kaiser werden würde.
    Claudius legte seine gesunde Hand auf einen Arm des Jungen. Seine Zitteranfälle folgten einem Muster: Wenn Claudius Entscheidungen fällte, verstärkten sie sich, danach ebbten sie wieder ab. Wieder griff der Kaiser nach dem Glöckchen und klingelte kurz. Sobald die Glocke verstummte, ließ auch das heftige Zucken in seiner Hand nach. »Nun müsst Ihr unbedingt noch den Rest meiner Familie kennen lernen.«
    Caradoc, der stetig weiterlächelte, zog bei dieser Gelegenheit seinen Sohn unauffällig ein paar Schritte außer Reichweite des Kaisers.
    Hereingeschritten kam zunächst der Stiefsohn, Lucius Domitius Ahenobarbus, genannt Nero. Als Kind war er bereits hübsch gewesen, nun aber wuchs er zu einem sehr attraktiven Mann heran und war sich dessen offensichtlich auch bewusst. In rotgoldenen Locken und etwas länger, als es die römische Strenge üblicherweise vorschrieb, fiel ihm das Haar über die alabasterfarbene Stirn. Er bewegte sich mit dem anmutigen Gang eines Tänzers und neigte den Kopf in einem Winkel wie die griechischen Schauspieler alter Schule - ließ damit quasi den jungen Achilles wieder auferstehen. Seine Haut jedoch war so zart wie die eines Mädchens, und seine Augen glichen denen einer sich nach Liebe verzehrenden jungen Frau. Für einen winzigen Augenblick, als er unter dem Türbogen hindurchschritt und seinen Stiefvater ansah, schien er die Verkörperung der Helena zu sein; Helena, wie sie dem dem Wahnsinn anheim gefallenen Menelaos gegenübertrat. Auf seinen Lippen formte sich eine Frage, eine Bitte, ein Ersuchen um eine Gefälligkeit, das vielleicht sogar erhört worden wäre, wenn sich in diesem Moment nicht urplötzlich eine Kakophonie hinter ihm erhoben hätte, die seine Worte vollkommen übertönte - Neros leichtfüßiger Eintritt in den Saal wurde vernichtet durch den Einmarsch seiner Mutter.
    In Rom, wo den Frauen keinerlei Macht zustand, hatte die Kaiserin Agrippina, Nichte und Ehefrau des Kaisers und Mutter des Nero, diese dafür umso fester gepackt und hielt sie nun mit beiden Händen an ihre Brust gedrückt. Wie alles andere in ihrem Leben, so war auch ihr Erscheinen im Audienzsaal ein gekonnt arrangierter Auftritt. Die damit verbundenen Geräusche eilten ihr bereits voraus, drängten sich dem Publikum schon auf, als sie selbst sich noch hinter der Biegung des Korridors befand: Man hörte die gemessenen Schritte ihrer Leibwächter, das Murmeln von Polybius, Claudius’ geistlichem Sekretär und Agrippinas Liebhaber, das leise Rascheln von seidenen Gewändern, das gedämpfte Klirren von Gold auf Gold und das sanfte Klicken von Perlen.
    Umhüllt von der Unantastbarkeit ihres Reichtums, der für sich allein schon beträchtlicher war als die gesamte britannische Steuerschuld seit der Invasion vor neun Jahren, brauchte Agrippina im Grunde gar kein Gefolge, um ihre Position zu behaupten. Dennoch bewahrten die Wachen Haltung, und das Leuchten in ihren Augen verriet eine Hingabe, die denjenigen, die Claudius oder einem der Söhne dienten, nicht zu eigen war. Agrippina stolzierte zwischen den Wachen hindurch, ein Traum in Rot und Gold. Nun wurde auch deutlich, dass die Ausstattung des Audienzsaals ganz offensichtlich ihr Werk war; niemand sonst hätte gefordert, dass das Rot der Wände so hundertprozentig mit dem ihrer Lippen und mit dem der Rubine um ihren Hals zu harmonieren habe. Das weiche, gefärbte Rehleder ihrer Schuhe verschmolz nahezu bis zur Vollkommenheit mit dem blutroten Belag des Bodens, und selbst die auf den Schuhen angebrachten Perlenknöpfe spiegelten sich stolz in den weißen Flöckchen des Porphyrs wider. Ihr Haar, das in der Mitte exakt gescheitelt und im Nacken zu einem Knoten zusammengeschlungen war, wurde von juwelenbesetzten Haarspangen gehalten und schimmerte wie feinster Marmor. Ihr Umhang war ein Hauch von roter Seide, eingefasst von kaiserlichem Purpur, und die Haut ihrer Arme, die sich zwischen den Falten hervorstreckten, war von einem so makellosen Weiß wie der Sand an der Nordküste

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