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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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gegenüber, der die Macht hatte, sie alle töten zu lassen oder noch Schlimmeres mit ihnen anzustellen.
     
    Die Kinder. Tu, was auch immer du tun musst, damit sie am Leben bleiben.
    Mein Sohn . Cunomar stand ganz still da, in dem festen Griff eines der Wachsoldaten. Seine Lippen waren bläulich verfärbt und seine Augen so groß und rund wie Flusskiesel. Tränen sammelten sich hinter seinen Lidern, und man sah ihm deutlich an, wie viel Anstrengung es ihn kostete, sie zurückzuhalten . Mein Krieger in spe. Meinetwegen wirst du nun sterben müssen. Ach, Cunomar, bitte vergib mir.
    Die Finger der Wachen packten noch fester zu und zerrten an Caradocs Haar. Die Handschellen schnitten schmerzhaft in seine Handgelenke. Im ersten Augenblick waren die Eisenringe geöffnet worden, jedoch nur, um hinter seinem Rücken sogleich wieder geschlossen zu werden. Nun wurden die Ketten mit einem Ruck hochgerissen, so dass Caradocs Gelenke knackten. Er hatte Schmerzen erwartet, hatte sich seit seiner Gefangennahme in Gedanken täglich aufs Neue gegen Folter und Qualen gewappnet - die nun einsetzende Realität war ihm also beinahe willkommen. Er konnte atmen, er konnte denken, und er konnte sehen, dass sein Sohn noch unverletzt dastand und lediglich mit einem Messer bedroht wurde; es hätte durchaus schlimmer kommen können. Was Caradoc weitaus stärker schmerzte, war der Verlust seiner Selbstbeherrschung und der Abstieg in Zorn und sinnlose Gewalt, die Plötzlichkeit, mit der all dies über ihn hereinbrach, und die Nutzlosigkeit, die verschenkte Chance. Mochten die zwischenmenschlichen Brücken zu Agrippina zuvor vielleicht schon ziemlich morsch gewesen sein - jetzt jedenfalls waren sie vollends zerbrochen, und die Verbindung zu Claudius gar unwiderruflich zerstört. Agrippina war in seiner, Caradocs, Gegenwart gedemütigt worden, und ihr Stolz würde niemals erlauben, das zu vergessen oder zu verzeihen. Claudius wiederum hatte Angst, war wütend, und vor allem war er misstrauisch. Während fünfzig Jahren der Tyrannei, in der alle um ihn herum gestorben waren wie Ratten in einem Feuer, war allein Claudius am Leben geblieben. Einzig seine Verschlagenheit und seine unerschöpfliche List hatten ihm dies ermöglicht.
    Nach dem ersten schrillen Aufschrei und der plötzlichen Sorge um seine Sicherheit hatte der Kaiser nun wieder die Kontrolle über sich erlangt. Sein zuckender Arm und auch sein Kopf mit den großen, abstehenden Ohren waren wieder ganz ruhig. Sein Blick war ölig, und nur unter der Oberfläche waren noch einige Turbulenzen zu erkennen. Mit sanfter, leicht schnarrender Stimme sagte er schließlich: »Du wirst dich entschuldigen.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass du deinen Kaiser angegriffen hast.«
    »Ihr seid nicht mein Kaiser.« Das hätte er nicht sagen dürfen. Doch in der zerklüfteten kleinen Höhle, in die Caradocs Verstand zurückgedrängt worden war, war kein Platz mehr für Diplomatie.
    Der Kaiser stand so ruhig da wie jeder andere normale Mann. Nachdenklich schürzte er die trockenen Lippen. Dann lächelte er. An die Wachen gewandt wiederholte er: »Er wird sich entschuldigen.«
    Es war schon immer gemunkelt worden, dass Claudius die Inszenierung von Folterungen genoss, und die Wachen waren bereits darin geübt, seiner Neigung entgegenzukommen. Langsam und Zentimeter für Zentimeter wurden die Ketten um Caradocs Handgelenke noch fester zusammengedreht und höher hinaufgezogen. Wieder schnitt das Eisen durch den eigentlich schon Heilung verheißenden Schorf seiner Wunden und grub sich tief in das darunter liegende rohe Fleisch. Der Schmerz überrollte Caradoc in Übelkeit erregenden Wogen, und für einen Augenblick konnte er weder sprechen noch denken, noch nicht einmal mehr atmen.
    Er würde nichts sagen, würde keinen Laut von sich geben, wenn schon für niemanden sonst, so doch zumindest um seines Sohnes willen. In dem uneinsehbaren Raum seines Geistes rief sich Caradoc von den Drei Stämmen jede einzelne Silbe jener unflätigen Beschimpfungen wieder ins Gedächtnis, die er während der drei Jahrzehnte seiner Seefahrtszeit und als Anführer mehrerer Armeen gelernt hatte. Er fluchte auf Eceni, auf Griechisch, auf Latein und auf Gallisch, jedoch alles nur im Stillen. Denn wenn er Glück hatte und wenn er das Bild von Cunomar vor seinem geistigen Auge noch etwas länger aufrecht erhalten konnte, dann - so hoffte er - bestand vielleicht die Chance, dass die Bewusstlosigkeit von ihm Besitz ergriff, ehe eines dieser Worte

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