Das Schwert der Keltin
ihm über die Lippen schlüpfte. Caradoc schloss also die Augen und vergegenwärtigte sich hinter geschlossenen Lidern das Bild von Cunomar. Es war jedoch Breaca, die ihm erschien, als plötzlich die Sehnen seiner rechten Schulter rissen und die Finsternis ihn umfing.
Hastig drückten die Wachen Caradocs Kopf in den Springbrunnen, damit er wieder zu Bewusstsein kam, und zogen ihn dann schnell wieder heraus, bevor er den einen, tödlichen Atemzug voll Wasser nehmen konnte. Keuchend und nach Luft schnappend tauchte Caradoc wieder auf. Die schnarrende Stimme war nun noch näher, zu nahe. Und wieder sagte sie: »Entschuldige dich.«
»Wofür? Dafür, dass ich die Wahrheit gesagt habe? Zählt die Wahrheit an Caesars Hof jetzt überhaupt nichts mehr? Ich dachte immer, noch vor allen anderen Eigenschaften hätte Polybios an einem Führer Ehrlichkeit und Integrität geschätzt?« Es waren die Götter, die ihm diese Worte einflüsterten. Caradoc selbst hatte nicht mehr die Kraft, besaß nicht mehr die Geistesgegenwart, sie nun noch aus eigener Anstrengung heraus zu formulieren.
Schweigen setzte ein, nur unterbrochen vom leisen Plätschern des Springbrunnens. In Rom reglementierte man selbst den Lauf des Wassers.
Um Claudius’ Mund lag ein harter Zug, und nur ein dünner Speichelfaden verriet noch irgendeine lebendige Regung. Man sagte ihm nach, dass er die alten Werte höher achtete als alles andere, aber es gab keinen Weg, dies mit Sicherheit herauszufinden. Dann nickte er, scheinbar abwägend, eine wohl einstudierte Geste. Diese hatte er sich speziell für den Senat zu Eigen gemacht, denn dort galt die Kunst der Rhetorik sogar noch mehr als Heldenmut in einer Schlacht.
»Polybios hatte es aber nicht mit Barbaren-Wahrsagern zu tun, die ihn hinterrücks ermorden wollten«, entgegnete Claudius schließlich. »Und Ehrlichkeit und Integrität sind lediglich Merkmale einer zivilisierten Gesellschaft. Barbaren also entschuldigen sich besser gegenüber ihrem Kaiser.«
Wieder wurden die Ketten angehoben, und das Zerren und Verrenken begann aufs Neue, diesmal in die entgegengesetzte Richtung und langsamer als zuvor. Man wollte Caradoc nicht noch einmal in die Bewusstlosigkeit versinken sehen. Jetzt trotz der qualvollen Schmerzen noch klar zu denken und sich deutlich zu artikulieren, war selbst für einen kampferprobten Krieger eine harte Prüfung; ganz offensichtlich hatten ihm diese die Götter auferlegt. Auf Mona hatte Maroc über Rom gesprochen und über die Ursachen, die das gerade flügge gewordene Kaiserreich in den Krieg trieben. Durch den immer unerträglicher werdenden Schmerz stiegen langsam die Erinnerungen daran wieder auf. Jede dieser Erinnerungen flüsterte Caradoc etwas zu, und er hörte genau hin - solange noch Zeit dazu war. Dann hob er erneut an, sprach jedoch nun zu dem Gelehrten, nicht mehr zu dem Tyrannen.
»Die Träumer waren schon zivilisierte Menschen, noch ehe Polybios auch nur ein schreiender Säugling war... noch bevor Romulus und Remus an der Brust der Wölfin tranken. Und wenn die Träumer nun töten … weil sie versuchen, ihr Land zu verteidigen und ihre Zivilisation, macht sie das dann automatisch wieder zu unzivilisierten Wilden? Rom tötet doch auch, und dabei wird Rom selbst noch nicht einmal bedroht.«
»Aber Roms Kaiser wird bedroht.«
»Roms Kaiser … müsste nicht bedroht werden.«
Claudius gab ein kurzes Zeichen, indem er einen Finger hob. Die Ketten wurden wieder herabgelassen. Die plötzliche Erleichterung war für einen kurzen Augenblick beinahe genauso kräftezehrend wie zuvor der Schmerz. Die Wachen zogen sich zurück, und Caradoc und Claudius waren allein. Zwei Männer, die jeweils ein ganzes Volk unter sich hatten und über Tod oder Begnadigung bestimmen konnten. Der Kaiser blinzelte. Wieder wurde sein Kopf von dem Tremor befallen. Der Ausdruck seiner Augen ließ seine Unentschlossenheit erkennen. Angst und das Versprechen von Sicherheit rangen in seinem Inneren mit Macht und Machtgelüsten. Das Zittern seines Kopfes nahm einen gewissen Rhythmus an, ging schließlich in ein Nicken über. »Du wusstest, dass der Statthalter gestorben war. Hattest du das vor deiner Abreise befohlen?«
»Nein. Ich besitze nicht die Macht, den Träumern Befehle zu erteilen.«
»Aber sie haben dich gewählt, um ihre Interessen in diesem Krieg zu verteidigen. Wenn sie also Scapula getötet haben, dann doch nur, weil du gefangen genommen wurdest. Ich glaube daher, dass sie dir sehr wohl Gehör
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