Das Schwert der Keltin
aus der des Träumers und berührte das kleine Häutemesser an seinem Gürtel, das er zum Sommersonnenwendefest geschenkt bekommen hatte. »Ich werde dir helfen«, erklärte er, »ihr Leben für das meine.« Und er sah, wie seine Mutter Dubornos’ Schulter drückte, ganz so, wie sie vor Beginn einer Schlacht die seines Vaters zu drücken pflegte, und er hörte ihre leisen Dankesworte und wusste, es war das, was sie sich gewünscht hatte.
Es waren insgesamt acht Kinder, von denen Cunomar das zweitjüngste war. Mit Dubornos’ Hilfe kletterten sie den Berg hinauf, um ihren Platz in einem hoch gelegenen Horst hinter einem felsigen Steilhang einzunehmen, ein Platz, der ihnen einen Ausblick auf den Fluss unten in der Tiefe bot und auf die Festung des Feindes, die auf der gegenüberliegenden Seite des Tales thronte.
Bald darauf gesellte sich Cygfa zu ihnen, ihr Gesicht noch feucht von den Tränen, die sie bei dem Abschied von ihrem Vater vergossen hatte. Seine Schwester mochte zwar um einiges älter sein als er und eher die Kriegerwürde erlangen, aber wie man sich auf korrekte Art und Weise von den Kriegern verabschiedete, die in einen Kampf zogen, davon hatte sie Cunomars Ansicht nach keine Ahnung. Sie sprach kurz mit Dubornos, dann kamen die beiden zu Cunomar, um sich rechts und links neben ihn zu legen. Gemeinsam beobachteten sie anschließend, wie sich die riesige Schar von Pferden einen Weg den Berg hinunter bahnte und wie die Kriegerinnen und Krieger der Bärin - die zu Fuß in die Schlacht zogen, wo immer es möglich war - die Abhänge hinunterrannten, ihre Gesichter mit dem felsengrauen, tarnenden Gemisch aus Waid und Bärenfett eingeschmiert, und wenig später vom Nebel verschluckt wurden.
Für eine Weile herrschte Stille im Tal. Von der Festung in der Ferne schallten gedämpfte Trompetenklänge herüber. Auch die Römer hatten das Signalfeuer gesehen, aber man konnte nie wissen, was sie davon hielten. Sicherlich dachten sie aber wohl nicht, dass der Hügel mit dem Leuchtfeuer vom Feind eingenommen worden war und dass in genau diesem Augenblick ihre Festung angegriffen wurde. Die Götter oder die Träumer, oder vielleicht auch beide, sorgten dafür, dass der Nebel um den Fluss herum weiterhin dicht blieb. Sie ließen ihn in dicken, milchigen Schwaden mit der warmen Morgenluft aufsteigen, um so die Manöver der Krieger zu verbergen. Wenn Cunomar ganz genau hinschaute, konnte er unten im Tal hier und dort den metallischen Schimmer eines Kettenhemds oder einer Speerspitze erkennen, doch die Harnische und Helme der Krieger waren sorgfältig umhüllt, damit sie kein verräterisches Klirren erzeugten und so lange wie möglich unbemerkt blieben.
Nach einer Weile schweifte die Aufmerksamkeit des Jungen ab. Er beobachtete gerade Hail, der seinerseits wiederum einer Spinne zusah, die ihr Netz über das Heidekraut spann, als Cygfa ihn plötzlich mit dem Ellenbogen in die Seite stieß und aufgeregt flüsterte. Er hob gerade noch rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie seine Mutter und sein Vater die angreifenden Krieger durch den Nebel zu der Festung hinaufführten.
Für den ganzen Rest seines Lebens sollte Cunomar sich so deutlich an diese Schlacht erinnern, als ob er persönlich daran teilgenommen hätte, als ob er als eine von Brigas Krähen über seiner Mutter in der Luft geschwebt hätte, um sie zu führen und zu behüten und den Feind als Todeskandidaten zu kennzeichnen. In jenem Augenblick, als unten im Tal der Kampf ausbrach, war er mit allen seinen Sinnen an dem Geschehen beteiligt. Er hörte das Trommeln der Pferdehufe und die Schlachtrufe der Krieger, und er kannte den genauen Zeitpunkt, als sie von den Schreien der Verwundeten übertönt wurden. Er roch das Blut und den Pferdeschweiß, den ätzenden Säuregeruch herausquellender Gedärme und die ersten Rauchkringel, als die Kriegerinnen und Krieger der Bärin mit Gestrüpp und brennenden Fackeln den steilen, grasbewachsenen Schutzwall der Festung hinaufstürmten und die hölzernen Palisaden in Brand steckten. Er wusste genau, wann der Oberbefehlshaber der feindlichen Streitmacht entschied, seine Soldaten zu den Toren hinausbeordern und draußen im Freien kämpfen zu lassen, wo sie nicht durch die Feuer gefährdet sein würden, und er spürte - erfüllt von einer unbändigen Freude, die ihn jubelnd aufspringen ließ -, dass es genau das war, was seine Mutter geplant und worum sie gebetet hatte. Er sah die kurze Unterbrechung in dem Gefecht, als die
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