Das Schwert der Keltin
Umbricius, dem Proviantmeister, und Gaudinius, dem Waffenmeister. Alle drei wälzten sich auf ihren Pritschen herum und murmelten unruhig im Schlaf, wachten aber nicht auf. Valerius war der Einzige von den Vieren, der für seine Angewohnheit, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, bekannt war.
Draußen vor der Tür, in dem an dem Kasernenblock entlanglaufenden Korridor, war es stiller als gewöhnlich, und es fehlte der übliche kalte Luftzug, so als ob nun, ein volles Jahr nach seiner Erbauung, endlich jemand sämtliche Risse im Mauerwerk gefunden und abgedichtet hätte. Die Nachtlampen waren schon lange verlöscht, und der Gang war finster und leer. Für eine Weile stand Julius Valerius einfach nur reglos in der Dunkelheit und ließ die Stille auf sich einwirken. Wenn er schlief, war die Nacht sein Feind, wenn er wach war, wurde sie sein Freund. Er hatte lange gebraucht, um das zu erkennen, doch in letzter Zeit war ihm allmählich zum Bewusstsein gekommen, wie sehr er die Anonymität der Dunkelheit genoss.
Schließlich machte er sich, während er sich mit den Fingerspitzen an den Wänden entlangtastete, auf den Weg zur äußeren Tür. Diese Nacht war nicht wie andere Nächte; das Knirschen seiner Schritte auf dem Kies des Korridors klang stark gedämpft, ein Geräusch, das in sich selbst zusammenzufallen schien und zu früh erstarb, und die Luft roch frisch und schneidend kalt, so dass sich, als er tief einatmete, Eiskörnchen in seinen Nasenhaaren bildeten, und sein Atem, als er ihn wieder ausstieß, als weißer Nebel um seinen Kopf sichtbar wurde.
Da es stockfinster war und Julius Valerius sich darauf konzentrierte, seinen Weg zu finden, ohne zu stolpern, und deshalb seine Gedanken nicht unter Kontrolle hielt, stieg urplötzlich und wie aus dem Nichts eine Erinnerung an eine zwanzig Jahre zurückliegende Nacht genau wie diese in ihm auf - die nur zu lebhafte Erinnerung an einen Dreiviertelmond, der tief über winterlich kahlen Eichen hing, an ihn selbst als kleines Kind, wie er, fest eingehüllt in den dicken Winterumhang seiner Mutter, an dem Grenzgebiet zwischen den dichten Wäldern und den Pferdekoppeln stand, mit genau dem gleichen Gefühl von sich bildenden und wieder schmelzenden Eiskristallen in seiner Nase. Während er weiter den Kasernenkorridor entlangging, hörte er die Stimme seiner Mutter in sein Ohr flüstern, um ihn auf den Hasen hinzuweisen, der auf der Oberfläche des Mondes lebte und als Bote zwischen der Mondgöttin und ihrem Volk diente. Er blinzelte und starrte angestrengt zum Himmel hinauf, bis er schließlich die Silhouette des Tieres erkannte. Nachdem er es gefunden hatte, schloss seine Mutter ihre Hand um die seine und hob sie hoch, um ihm zu zeigen, wie man die Hand zu dem speziellen Gruß der Träumer an den Mond erhob, damit er immer in der Lage sein würde, die Göttin um ihre Hilfe zu bitten, wenn er in Not war. Vollkommen in seiner Erinnerung gefangen und blind und taub gegen die Welt der Legionskasernen, hob er einen Arm auf Schulterhöhe, bevor er hart gegen die Mauer stieß.
Es war ein unverzeihlicher Fehler. Laut fluchend sprang Julius Valerius rückwärts und prallte mit der Schulter gegen einen senkrechten Eichenpfosten. Verzweifelt und eindringlich beschwor er in Gedanken die Bilder von Mithras herauf, die man ihm in den vergangenen beiden Monaten gezeigt hatte - der Jüngling in Kappe und Umhang, wie er, vollendet geformt, aus massivem Fels hervortrat; das Samenkorn seiner Fruchtbarkeit; die Schlange und der Jagdhund, die das vergossene Blut des Stiers tranken. In den winzigen Zeiträumen zwischen seinen einzelnen Herzschlägen baute Julius Valerius seinen Gott Schicht für Schicht vor sich in der Luft auf, manifestierte allein durch bloße Willenskraft den Stier, den würdigsten aller Gegner, ließ ihn vor seinem geistigen Auge tanzen und mit seinem Peiniger kämpfen, bis sich das Messer in die Kehle des Tieres bohrte und eine Fontäne von Blut auf die Erde niederregnete.
Die Bilder wirkten, so wie sie es immer taten, wenn auch nur langsam und unzureichend. In Schweiß gebadet sprach Julius Valerius im Geiste die Gebete an Sol Invictus, bis sie schließlich alles andere in den Hintergrund drängten. Seit der Brandmarkung hatte die Macht des Gottes seine Mutter aus seinen nächtlichen Träumen verbannt, und sie vertrieb sie jetzt auch aus seinen Gedanken im Wachzustand, löschte jede Erinnerung an sie aus, bis auf ihre sanft murmelnde Stimme in seinen Ohren.
Ihre Stimme
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