Das Schwert der Keltin
und einzig und allein ihre Augen waren eindeutig die Caradocs - eisengrau und klar, erfüllt von einer Aufrichtigkeit, die keine Zweifel zuließ, und einer Liebe, so tief, dass sie einem schier ins Herz schnitt.
Sie wandte sich um, ganz so, als suchte sie Hilfe oder Führung. Ihr Blick schweifte umher und traf auf den ihrer Mutter. Der Funke des Erkennens sprang zwischen ihnen über, nur um - viel zu schnell - von Erstaunen verdrängt zu werden, dann von Furcht und schließlich von etwas nicht Greifbarem, das weit über Erstaunen und Furcht hinausging: Verständnis und Liebe, begraben unter großem Schmerz. Erst bei dieser letzteren Empfindung lächelte sie, und beim Anblick dieses Lächelns war Breaca zu Mute, als wiche die Gegenwart in den Hintergrund zurück und als öffnete sich ein Tunnel in eine Vergangenheit, die viel zu lange vergessen und begraben gewesen war.
»An wen erinnert sie dich?«
Breaca merkte erst jetzt, dass sie die Augen geschlossen hatte, und öffnete sie wieder. Das Kind aus ihrer Vision war wieder verschwunden. An der Stelle, wo gerade eben noch ihre Tochter gestanden hatte, stand jetzt Airmid, ihr Gesicht noch immer erleuchtet von der Gegenwart der Götter. »Du hast doch vorhin an jemanden gedacht«, sagte sie. »Wer war das?«
Es war schwer, die richtigen Worte zu finden. Plötzlich erschien es am besten, einfach zu sprechen, ohne nachzudenken. »Graine«, erwiderte Breaca. »Das heißt, meine Mutter. Und ihre Schwester, Macha, die Zaunkönig-Träumerin. Sie war beides.«
»Dann hast du ja zwei Namen, die passend wären. Welcher davon geeignet ist, wirst du wissen, wenn sie zur Welt gekommen ist.«
Es konnte also keine Rede mehr davon sein, das Kind abzutreiben. »Sie war eine Träumerin«, sagte Breaca. »Ich habe das Band gesehen, das sie um die Stirn trug.« Dass Eltern, die beide Krieger waren, eine Träumerin hervorbrachten, war zwar nicht beispiellos, aber doch ziemlich ungewöhnlich. Breaca erwähnte nichts von den anderen Dingen, die sie gesehen hatte - von der blutbeschmierten Tunika und den Kampfwaffen, die ganz und gar nicht das Handwerkszeug einer Träumerin waren und die einem jungen Mädchen, das bald seine drei langen Nächte absolvieren würde, in jedem Fall verboten waren.
Und falls Airmid von diesen Dingen wusste, so zog sie es jedenfalls vor, nichts davon zu erwähnen. Sie nickte nur und lächelte - das Lächeln einer Träumerin, rätselhaft und voller ungesagter Geheimnisse. »Sie wird sein«, sagte sie. »Nicht ›sie war‹. Daran solltest du immer denken: Deine Tochter ist die Zukunft, nicht die Vergangenheit.«
Der Winter ging allmählich in den Frühling über. Der Schnee schmolz, löste sich in schlammiges Wasser auf und füllte die Flüsse, die in Kaskaden die Berghänge hinabstürzten. Der Weißdorn war voller Blüten, duftige Gebilde, die dicht an dicht an Ästen und Zweigen saßen und dann auf die Erde niederrieselten, um bei den nun wieder einsetzenden Kämpfen und Sturmangriffen unter den Füßen zertrampelt zu werden. An den Bäumen entrollten sich die neuen Blätter, und durch die schwere dunkle Wintererde brachen die ersten grünen Gerstentriebe. Lämmer wurden geboren, gefolgt von Fohlen, die auf dünnen Beinen auf den Feldern umherstaksten. Die See war wieder eisfrei und offen für den Schiffsverkehr, und die Fähre bahnte sich wieder täglich ihren Weg über die Meerenge von Mona zum Festland; oft um Träumer von der Insel zu dem weiten, offenen Land hinüberzubefördern, gelegentlich aber auch, um Anführer von Kriegerverbänden zu Ratssitzungen nach Mona zu bringen oder Krieger, die auf der Insel von ihren Verwundungen zu genesen hofften.
Das Kind, das die Zukunft war, nicht die Vergangenheit, wuchs stetig in ihrem Mutterschoß, so dass Breaca gegen Ende des dritten Monats nach dem erneuten Ausbruch der Kämpfe nicht mehr in der Lage war, in die Schlacht zu reiten. Empört und frustriert nahm sie die Fähre zurück nach Mona, damit sie nicht womöglich noch zu einer Belastung für Caradoc würde, der die westlichen Stämme in ihrer Abwesenheit allein befehligte, oder für Ardacos und Gwyddhien, die gemeinsam die geschulten Kriegerinnen und Krieger von Mona anführten. Breaca wäre zwar gerne geblieben, einfach um in unmittelbarer Nähe des Kampfgeschehens zu sein, um bei der Planung der Strategien mitzuwirken und an den Unterredungen nach den Gefechten teilzunehmen, doch im vergangenen Jahr hatten die Legionen es sich zur Gewohnheit
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