Das Schwert der Vorsehung
wunderte sich Rittersporn. »Was für Muschelschalen? Ich hab keine Ahnung. Vielleicht haben vorbeifliegende Enten sie fallen lassen?«
Geralt lächelte, das Gesicht in den Schatten gewandt. Er lächelte, weil er an Rittersporns Flüche dachte, der den ganzen Vormittag damit zugebracht hatte, Muscheln zu öffnen und in dem schlüpfrigen Fleisch zu stochern, wobei er sich die Finger zerschnitten und das Wams beschmiert hatte, ohne jedoch eine einzige Perle zu finden. Kein Wunder, denn wahrscheinlich waren das überhaupt keine Perlmuscheln, sondern gewöhnliche Miesmuscheln. Den Gedanken, aus den Muscheln eine Suppe zu kochen, hatten sie verworfen, sobald Rittersporn die erste Schale geöffnet hatte – das Fleisch sah unappetitlich aus und stank derart, dass einem die Augen tränten.
Äuglein war mit dem Verband fertig und setzte sich auf den umgekehrten Zuber. Der Hexer dankte, während er den kunstgerecht versorgten Arm betrachtete. Die Wunde war tief und ziemlich lang, sie erfasste auch den Ellenbogen, der bei jeder Bewegung höllisch weh tat. Sie hatten sie schon am Strand provisorisch verbunden, doch ehe sie es nach Hause geschafft hatten, war sie wieder aufgebrochen. Unmittelbar bevor das Mädchen gekommen war, hatte Geralt in den aufgeschlitzten Unterarm ein Elixier zur Blutgerinnung geträufelt, ein weiteres Elixier hinzugefügt, das unempfindlich machte, und Essi hatte sie in dem Augenblick entdeckt, als Rittersporn und er versuchten, die Wunde mit einem Faden zu nähen, den sie an einem Angelhaken befestigt hatten. Äuglein stauchte sie zusammen und nahm sich die Wunde selber vor, und währenddessen lieferte ihr Rittersporn einen farbigen Bericht von dem Kampf, wobei er sich mehrmals die ausschließlichen Rechte an einer Ballade über das ganze Ereignis vorbehielt. Essi überschüttete Geralt natürlich mit einem Schwall von Fragen, auf die er nicht zu antworten vermochte. Das hatte sie ihm übelgenommen, offensichtlich hatte sie den Eindruck, er verhehle ihr etwas. Sie hatte eine finstere Miene gemacht und nicht weitergefragt.
»Agloval weiß es schon«, sagte sie. »Ihr seid gesehen worden, als ihr zurückkamt, und die Drouhardsche, kaum dass sie das Blut auf der Treppe gesehen hatte, ist mit Gerüchten losgelaufen. Das Volk ist in der Hoffnung, die Wellen würden etwas an Land spülen, ans Ufer gelaufen und treibt sich immer noch dort herum, aber soviel ich weiß, haben sie nichts gefunden.«
»Sie werden auch nichts finden«, sagte der Hexer. »Zu Agloval gehe ich morgen, aber wenn du kannst, warne ihn schon mal, er soll den Leuten verbieten, sich bei den Drachenhauern herumzutreiben. Aber bitte kein Wort von dieser Treppe und von Rittersporns Faseleien über die Stadt Ys. Sofort würden sich Schatzsucher finden, und es gäbe neue Tote ...«
»Ich bin kein Klatschmaul«, erwiderte Essi übellaunig und warf mit einer heftigen Bewegung die Locke aus der Stirn. »Wenn ich dich etwas frage, dann nicht, um sofort damit zum Brunnen zu laufen und es den Waschweibern zu erzählen.«
»Entschuldige bitte.«
»Ich muss los«, teilte Rittersporn plötzlich mit. »Ich bin mit Akeretta verabredet. Geralt, ich nehme dein Wams, denn meins ist vollgesaut und immer noch nass.«
»Alles ist hier nass«, stichelte Äuglein und berührte angewidert mit der Schuhspitze die hingeworfenen Kleidungsstücke. »Wie könnt ihr nur? Das muss man aufhängen, ordentlich trocknen lassen ... Ihr seid unmöglich.«
»Es wird von selber trocknen.« Rittersporn zog das feuchte Wams Geralts an und blickte mit Wohlgefallen auf die silbernen Nieten am Ärmel.
»Red dich nicht raus. Ja, und was ist denn das? Also nein, dieser Ranzen ist immer noch voll Schlick und Wasserpflanzen! Und das ... Was ist denn das? Pfui!«
Geralt und Rittersporn betrachteten schweigend die kobaltblaue Schale, die Essi zwischen zwei Fingern hielt. Sie hatten sie vergessen. Die Muschel stand ein Stück offen und stank nachhaltig.
»Das ist ein Geschenk«, sagte der Troubadour und zog sich zur Tür zurück. »Morgen hast du Geburtstag, nicht wahr, Püppchen? Also, das ist ein Geschenk für dich.«
»Das?«
»Hübsch, was?« Rittersporn schnüffelte und fügte rasch hinzu: »Es ist von Geralt. Das hat er für dich ausgesucht. Oh, es ist schon spät. Macht’s gut ...«
Nachdem er gegangen war, schwieg Äuglein eine Weile. Der Hexer schaute auf die stinkende Muschel und schämte sich. Für Rittersporn und für sich selbst.
»Du hast an meinen
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