Das Schwert der Vorsehung
Geburtstag gedacht?«, fragte Essi langsam und hielt die Muschel weit von sich weg. »Wirklich?«
»Gib das her«, sagte er scharf. Er stand vom Strohsack auf, wobei er den verbundenen Arm stützte. »Ich bitte um Entschuldigung für diesen Idioten ...«
»Nein«, widersprach sie und zog aus einer Scheide am Gürtel ein kleines Messer. »Es ist wirklich eine hübsche Muschel, ich werde sie als Andenken behalten. Man muss sie nur waschen und vorher vom ... Inhalt befreien. Ich werf’s zum Fenster raus, sollen’s die Katzen fressen.«
Etwas fiel mit leisem Pochen zu Boden, rollte ein Stück. Geralt machte die Pupillen weit und sah dieses Etwas lange vor Essi.
Es war eine Perle. Eine schön opaleszierende und schimmernde Perle von blassblauer Farbe, groß wie ein aufgegangener Erbsensamen.
»Götter ...« Äuglein hatte sie auch gesehen. »Geralt ... Eine Perle!«
»Eine Perle.« Er lächelte. »Also hast du doch noch ein Geschenk bekommen, Essi. Ich freue mich.«
»Geralt, das kann ich nicht annehmen. Diese Perle kostet ...«
»Sie gehört dir«, unterbrach er sie. »Rittersporn, obwohl er ein dummer Tropf ist, hat wirklich an deinen Geburtstag gedacht. Er wollte dir wirklich eine Freude machen. Er hat davon geredet, laut und lange. Nun, das Schicksal hat es gehört und erfüllt.«
»Und du, Geralt?«
»Ich?«
»Wolltest du ... Du wolltest mir auch eine Freude machen? Diese Perle ist so schön ... Sie muss ungeheuer wertvoll sein ... Tut es dir nicht leid?«
»Ich freue mich, dass sie dir gefällt. Und wenn ich etwas bedaure, dann, dass es nur eine ist. Und dass ...«
»Ja?«
»Dass ich dich nicht so lange kenne wie Rittersporn, so lange, dass ich deinen Geburtstag kennen und an ihn denken könnte. Dass ich dir Geschenke geben und dir Freude machen könnte. Dass ich ... dich Püppchen nennen könnte.«
Sie kam näher und warf ihm plötzlich die Arme um den Hals. Schnell und gewandt kam er ihrer Bewegung zuvor, wich ihrem Munde aus, küsste sie kalt auf die Wange, wobei er sie mit dem gesunden Arm umschlang, linkisch, reserviert, sacht. Er fühlte, wie das Mädchen steif wurde und sich langsam zurückzog, doch nur auf die Länge der Arme, die noch immer auf seinen Schultern ruhten. Er wusste, worauf sie wartete, doch er tat es nicht. Er zog sie nicht an sich.
Essi ließ ihn los, wandte sich zu dem schrägen, schmutzigen Fensterchen hin.
»Offensichtlich«, sagte sie plötzlich. »Du kennst mich kaum. Ich hatte vergessen, dass du mich kaum kennst.«
»Essi«, sagte er, nachdem er einen Augenblick lang geschwiegen hatte. »Ich ...«
»Ich kenne dich auch kaum«, unterbrach sie ihn heftig. »Na und? Ich liebe dich. Ich kann nichts dagegen machen.«
»Essi!«
»Ja. Ich liebe dich, Geralt. Es ist mir ganz gleich, was du denkst. Ich liebe dich von dem Augenblick an, da ich dich gesehen habe, dort bei der Verlobungsfeier ...«
Sie verstummte, senkte den Kopf.
Sie stand vor ihm, und Geralt bedauerte, dass sie das war und nicht der Fischäugige mit dem unter Wasser verborgenen Säbel. Bei dem Fischäugigen hätte er eine Chance gehabt. Bei ihr nicht.
»Du sagst nichts«, stellte sie fest. »Nichts, kein Wort.«
Ich bin müde, dachte er, und verdammt schwach. Ich muss mich hinsetzen, mir wird dunkel vor Augen, ich habe etwas Blut verloren und nichts gegessen ... Dieses elende Kämmerchen, dachte er, dass es doch beim nächsten Gewitter vom Blitz getroffen wird und abbrennt. Dieses verdammte Fehlen von zwei dummen Stühlen und einem Tisch, der teilt, an dem man sich so leicht und sicher unterhalten, sich sogar bei den Händen halten kann. Und ich muss mich auf den Strohsack setzen, muss sie bitten, dass sie sich zu mir setzt. Aber ein mit Bohnenstroh gefüllter Sack ist unsicher, da kann man nicht manchmal entschlüpfen, sich verdrücken ...
»Setz dich zu mir, Essi.«
Sie setzte sich. Mit einer kleinen Verzögerung. Taktvoll. Mit Abstand. Mit zu wenig Abstand.
»Als ich erfahren habe«, brach sie flüsternd das lange Schweigen, »als ich gehört habe, dass Rittersporn dich blutüberströmt angeschleppt brachte, bin ich wie wahnsinnig aus dem Haus gelaufen, blindlings, ohne auf irgendetwas zu achten. Und dann ... Weißt du, woran ich gedacht habe? Dass es Magie sei, dass du heimlich einen Bann auf mich gelegt hast, mich hinterrücks verzaubert hast, mich mit einem
Zeichen
verhext hast, mit deinem Wolfsmedaillon, mit dem bösen Blick. So dachte ich, aber ich blieb nicht stehen, lief weiter,
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